Vom Monte Schlacko bis zum Bodensee

28. July 2023 in 2. Liga

Mit dem DSV Leoben und Schwarz-Weiß Bregenz sind zwei Traditionsvereine zurück im Profifußball. Die Obersteirer begehen mit einem Vizeweltmeister auf der Trainerbank und einer langfristigen Vision das Abenteuer 2. Liga, in Bregenz backt man etwas kleinere Brötchen.

 

54 Jahre. So lange spielte der DSV Leoben ununterbrochen in einer der beiden höchsten Spielklassen Österreichs. 1956 gelang dereinst der Aufstieg in die damalige Staatsliga B, erst 2009/10 gingen die Lichter aufgrund finanzieller Probleme aus. Und im Sommer 2023 heißt es: Willkommen zurück! Einladend ist auch das Stadion Donawitz auf den ersten Blick. Es ist Ende Juni, der Aufstieg aus der Regionalliga Mitte erst ein paar Wochen her und die Vorbereitungszeit voll im Laufen. Der mit Glasverbau versehene Eingangsbereich des sogenannten Monte Schlacko strahlt viel Charme der 90er- Jahre aus. Viele Fußballkenner werden sich noch erinnern, dass die Leobner 1995 beim letzten Cupsieg von Rapid Wien Finalgegner waren – und gar alles andere als unterlegen. Aber nur gefühlt. Am Ende sicherte ausgerechnet der ehemalige DSV-Spieler Peter Guggi den Titel für die Hütteldorfer.

Karriereanlauf „Dank" Leoben

„Ja, diese Begegnung mit Leoben als Spieler habe ich knapp verpasst“, sagt einer, der im Trainerraum des Stadions gerade noch fleißig bei Besprechungen war: Carsten Jancker. Im Sommer 2021 ließ sich der ehemalige Rapid-Europacupfighter und spätere Champions-League-Sieger und Vizeweltmeister – „der Cupsieg von Rapid gegen Leoben 1995 war der Grundstein für unseren Finaleinzug im Cup der Cupsieger und damit ist auch meine kleine Karriere angelaufen“ – vom Leobner Weg überzeugen. „Wir haben uns damals zusammengesetzt, die Ziele und Vorstellungen abgesteckt und schnell erkannt, dass das passt.“ Sehr gut sogar, wie die letzten beiden Spielzeiten zeigten. Meister in der Landesliga nach Herzschlagfinale mit dem ASK Voitsberg, Meister im Vorjahr in Liga 3 nach Herzschlagfinale mit den LASK Amateuren OÖ. Die Meistertitel kamen aber nicht ganz von ungefähr.

Bundesligaerfahrung schon in Liga 3

Mit dem neuen Hauptsponsor KAIF, einem Energydrink, der auch im Stadion sowie am Eingang des imposanten Businesscenters noch präsent ist, eröffneten sich dem obersteirischen Traditionsverein neue Möglichkeiten. KAIF ist mittlerweile Geschichte, GGMT Revolution heißt der neue Hauptsponsor, die Voraussetzungen sind gut geblieben. Schon in den Vorjahren spielten mit Philipp Hütter (Ex-Klagenfurt- Kapitän), Zan Pelko (einst Nummer 1 in Klagenfurt), Timo Perthel (Meister mit Sturm 2011) oder Thomas Hirschhofer (Kapfenberg) und Michael John Lema (früher Hartberg und Sturm) zahlreiche Bundesliga-erprobte Kicker bei den Leobnern. „Wir wussten schon, dass wir viel Qualität für die Liga mitbringen, aber Namen bringen keine Leistung. Wir mussten bis zum letzten Spiel an unser Limit gehen“, sagt Carsten Jancker. „Es war von Anfang an klar, dass wir aufsteigen wollen und mussten etwa in der Landesliga nach einer schwierigen Anfangsphase Voitsberg fast ein ganzes Jahr hinterherlaufen, weil wir eine ganz neue Mannschaft formiert haben. Aber wir haben immer daran geglaubt, hatten ein Endspiel in Voitsberg und haben es geschafft. Danach haben wir uns auf den nächsten Schritt vorbereitet.“

Der hieß: Aufstieg in LigaZwa. „Wir wussten auch im letzten Jahr, dass wir eine sehr gute Mannschaft haben. Aber man weiß nie, was auf einen zukommt.“ Auch jetzt gibt es einen nächsten Schritt. Denn nicht nur an einer Wand oder auf einer Tafel findet sich im Stadion des Vereins folgender Slogan: Mission 2028. Zum 100- jährigen Vereinsjubiläum soll der Wiederaufstieg in die höchste Spielklasse perfekt werden.

„Körperlicher und schneller "

Auch heuer haben wieder durchaus bekannte Namen in Leoben aufgeschlagen. Matija Horvat (zuletzt Hartberg) oder Kevin Friesenbichler (mehr als 150 Bundesliga- Spiele) etwa haben viel Erfahrung in der Vita stehen. Aber doch wird der Umstieg von der dritten auf die zweite Leistungsstufe sicher der größte in der Ära Jancker unter den Hochöfen. „Wir werden trotzdem versuchen, nach vorne zu spielen, wir werden aber sicher weniger dominant sein als in den letzten beiden Jahren. Wir werden uns auf die Gegner einstellen. Ich habe diesen Schritt als Trainer schon einmal in Horn gemacht und weiß, dass es jetzt körperlicher und schneller wird. Darauf versuchen wir unser Spieler vorzubereiten.“ Dass Leoben wieder eine Nummer im österreichischen Fußball ist, liegt aber nicht nur an Aufstiegsvisionen. Das Stadion soll ab Herbst umgebaut werden. Beginnend mit einer neuen Tribüne hinterm Tor soll Schritt für Schritt – bei laufendem Spielbetrieb – ein neues Schmuckkästchen entstehen. Der Zuschauerschnitt in der zweitgrößten Stadt der Steiermark ist jetzt schon mehr als beachtenswert. Über 1.600 Menschen fanden bei den Heimspielen den Weg ins Stadion Donawitz. Am letzten Spieltag, beim entscheidenden Sieg gegen die WAC Amateure, kamen 5.600 Menschen.

Mission 2028 als großes Ziel

Aber was sind jetzt eigentlich die Ziele, also neben der Mission 2028? „Gut, die Mission 2028 ist ja schon einmal ein großes Ziel“, erklärt Carsten Jancker und verweist dann auf jenen Mann, der gegenüber von ihm Platz genommen hat: Viktor Stevanovic. Der erst 26-jährige Grazer war selbst einmal auf dem Weg zum Profifußballer. Als Außenverteidiger galt er als großes Talent, wechselte nach Stationen beim GAK und Sturm in die Akademie von Kapfenberg – und von dort aus gar zum AC Florenz. „Ich galt tatsächlich als recht großes Talent“, sagt er. Doch wie so viele hoffnungsvolle Jungfußballer wurde er von einer Verletzung gestoppt. Er musste seine Karriere beenden, ehe sie überhaupt angefangen hatte – und wechselte ins Spielerberater-Business.

Im Herbst 2022 wurde er schließlich von einem seiner „Kunden“, dem DSV Leoben, überraschend gefragt, ob er nicht Sportdirektor werden möchte. Er finalisierte noch einen letzten Transfer, ließ den alten Job sein und nahm das neue Amt an. Statt Spielern die besten Karriereoptionen zu eröffnen, baut er jetzt eine Mannschaft für die 2. Liga. Und lässt sich über die Ambitionen noch wenig entlocken: „Jeder will jedes Spiel gewinnen – wir denken wirklich von Spiel zu Spiel und sehen am Ende des nächsten Jahres, wo wir stehen.“ Aber wieviel Spielraum hat man eigentlich finanziell in Leoben? „Wir machen keine Harakiri-Aktionen, wir bleiben in unserem Budget und machen nichts Verrücktes“, sagt Jancker. „Wir haben auch Spieler bekommen, die andere Optionen hatten, die lukrativer waren – aber bei uns gibt es dann für den einen oder anderen eine höhere Wahrscheinlichkeit zu spielen“, ergänzt Stevanovic.

11 Donawitzer Freunde sollt ihr sein?

Der DSV Leoben ist ein Traditionsverein, hat viele Fans. Und je mehr Unterstützer, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es unterschiedliche Ansprüche und Erwartungshaltungen gibt. Der Verein stand für kampfbetonten Fußball, ging aus der Werksmannschaft der Alpine hervor, jenem Stahlkonzern, der als VOEST-Alpine noch immer einen Steinwurf vom Stadion entfernt eine Produktionsstätte hat. Doch auch wenn die Zeiten, in denen 11 Donawitzer Freunde miteinander um die Wette grätschen, vorbei sind, ist Stevanovic und Jancker die Vergangenheit mehr als bewusst.

Mit Dejan Stankovic ist eine Leobner Spieler- und Trainerlegende Präsident des Vereins, und auch am Spielersektor gab und gibt es sogar neue Bezugspunkte zur Region, wie Stevanovic erklärt: „Matija Horvat ist 500 Meter vom Stadion entfernt aufgewachsen, Kevin Friesenbichler hat mit seiner Familie einen Bezug zum Verein. Sein Vater Bruno hat hier gespielt, sein Onkel Günter auch. Aber rein fußballerisch ist es schon so, dass wir spielerische Lösungen suchen wollen und anders als früher spielen.“ Dass der „neue“ Fußball angenommen wird, zeigten ohnehin bereits die Zuschauerzahlen im Vorjahr – und noch mehr die Nachfrage nach Abos für die 2.-Liga-Saison. Der Monte Schlacko ist wieder in. Apropos, für alle, die es nicht wissen: Der alte Fußballplatz, ganz früher, hatte keinen englischen Rasen wie heute, sondern war ein Schlackeplatz – auch Ascheplatz genannt. Daher der Spitzname des Stadions. „Auf Schlacke habe ich noch in der Kindheit gespielt“, erzählt Carsten Jancker abschließend noch. Und zeigt an seinem rechten Knie zwei „Schlacke-Tätowierungen“. „Da bin ich reingerutscht und in die Wunde ist die Schlacke rein, die mir bis heute geblieben ist“, lacht er.

Bregenz: Durchmarsch ist kein Thema

Etwas kleinere Brötchen als bei DSV Leoben werden bei Schwarz-Weiß Bregenz gebacken, auch wenn die Freude über den Aufstieg und die Rückkehr in den Profifußball natürlich auch hier riesig ist. „Die Stimmung ist großartig. Unser Hauptziel ist aber der Klassenerhalt“, stellt Trainer Andreas Heraf fest. „Natürlich träumt man auch hier davon, irgendwann wieder in der obersten Liga zu spielen. Aber davon sind wir aktuell weit weg. Wir können uns finanziell keine größeren Sprünge leisten, das ist aber nicht schlimm, dafür müssen wir uns nicht schämen. Aber wer glaubt, die 2. Liga ist nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben – das ist alles kein Thema!“ Gespannt darf man sein, wie groß das Zuschauerinteresse im ImmoAgentur- Stadion am Bodensee ist. Immerhin: 1.600 Fans kamen zum Entscheidungsspiel im Regionalliga-Play-off gegen Hohenems. Eine kleine, aber umso fanatischere Hardcore-Fan-Gruppe sorgt auch auswärts für ordentlich Stimmung.

Stadionumbau im Herbst

Der Vorarlberger Fan hat dieses Jahr freilich die Qual der Wahl, spielen doch jetzt gleich vier Teams in den obersten zwei Spielklassen. „Bei 400.000 Einwohnern im ganzen Bundesland ist das schon ein Wahnsinn. Aber es zeigt, wie groß und wichtig die Rolle des Fußballs hier ist und wie professionell alles angegangen wird“, staunt Heraf, wieviel sich im Ländle, wo er schon vor knapp 20 Jahren erfolgreich bei Lustenau Trainer war, in letzter Zeit getan hat. Davon, dass sein Ex-Klub bis 2025 ein neues Stadion baut, profitiert auch Bregenz, finanziert doch Lustenau, weil es eine Ausweichstätte braucht, den Stadionumbau in Bregenz mit. Um 1,7 Millionen Euro wird das Stadion bundesligatauglich´gemacht. Es wird eine Rasenheizung installiert, die Flutlichtanlage modernisiert, sowie die Spielfeldgröße, Sitzplätze usw. adaptiert. Die Kosten tragen Austria Lustenau, SW Bregenz, Land Vorarlberg, Bund und Stadt gemeinsam zu unterschiedlichen Teilen.

Professionellere Strukturen

„Das tolle Stadion ist ein großes Plus, auch wenn es schon etwas in die Jahre gekommen ist. Dass es bundesligatauglich gemacht wird, ist das i-Tüpfelchen“, so Heraf, der den Verein gerade auf Profibetrieb umstellt. So wird er mit seinen Spielern künftig schon am Vormittag am Kunstrasenplatz direkt beim Stadion trainieren. „Als wir da im Winter um 20 Uhr trainiert haben, hatte es am Ende vom Training auch schon mal Minus 12 Grad. Brutal!“ Solche erfrischenden Nightsessions erspart man sich künftig. Man darf gespannt sein, ob die Bregenzer mit ihrer Spielweise auch die Fanherzen erwärmen können. Im Frühjahr war es eine bärenstarke Defensive und viel Effizienz, mit der man sich den Aufstieg sicherte.

Stripfing komplettiert Aufstiegstrio

Während Bregenz und Leoben um den Aufstieg bis zum Saisonende zitterten, setzte sich der Aufsteiger aus der Regionalliga Ost früh als einziger Topfavorit in Szene. Am Ende sicherten sich der scheidende Coach Gogo Djuricin und seine Spieler mit 13 Punkten Vorsprung den Meistertitel. In der neuen Spielzeit setzen die Niederösterreicher auch auf eine Kooperation: zehn Kicker von der Wiener Austria werden als Kooperationsspieler für Stripfing auflaufen – sie können während der Saison auch von der Austria in den Bundesligakader berufen werden. Auch trainieren werden die Stripfinger als Untermieter in der Generali Arena am Verteilerkreis.

 

Fotos: Gepa pictures

Redakteure: Christoph König, Peter K. Wagner
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