„Müssen die Kirche im Dorf lassen“

20. July 2022 in 2. Liga

Alexander Zellhofer ist mit 28 Jahren der jüngste Trainer der 2. Liga. Im Interview verrät er, worauf er sich mit Aufsteiger Vienna am meisten freut, wie schwer die Coronakrise für den Klub war und wie er auf Kritik von außen reagiert. 

Kribbelt es schon, je näher der Saisonauftakt rückt?

Alexander Zellhofer: Natürlich ist schon ein gewisses Kribbeln vorhanden, aber das ist normal. Wir alle im Verein brennen schon darauf, dass es endlich losgeht. Die Spieler sind hochmotiviert.

Worauf wird es ankommen im neuen Abenteuer 2. Liga?
Wir haben in den ersten fünf Runden mitunter die stärksten Gegner, die allesamt Titelkandidaten sind. Das macht es nicht leichter. Von der Intensität her wird alles noch einmal ein Stück höher werden, auch was die körperliche Präsenz und die Physis im Spiel betreffen. Aber wir haben in der Saison 2020/21 als Viertligist im ÖFB-Cup, wo wir bis ins Viertelfinale vorgestoßen waren, bewiesen, dass wir gegen Erst- bzw. Zweitligisten bestehen können. Wir sind gut gerüstet, haben den Kader verkleinert und verjüngt. Die Blutauffrischung tut uns gut, aber wir wissen schon, dass wir noch eine Schippe drauflegen müssen. Wir haben daher auch den Trainingsbetrieb umgestellt und intensiviert. Klar ist, die 2. Liga ist eine andere Hausnummer als die Regionalliga.

Die Erwartungen von öffentlicher Seite sind hoch. Wird die Vienna anders gesehen als „gewöhnliche“ Aufsteiger?
Natürlich wird von einem Traditionsverein viel erwartet. Wir sind jetzt zwei Mal hintereinander aufgestiegen. Aber nur mit Euphorie und Tradition wird sich nicht alles von selbst erledigen. Man darf nicht vergessen, dass 90 Prozent unseres Stammpersonals in der Regionalliga auch schon in der Wiener Liga gespielt haben. Da müssen wir die Kirche schon im Dorf lassen. Wenn wir uns im Mittelfeld etablieren, wäre das schon ein schöner Erfolg für den Verein. Wir müssen erst einmal im Profifußball ankommen. Es ist schon ein Unterschied, ob ich als Underdog ein bis zwei Spiele im Cup bestreite, oder Woche für Woche in der Zweiten Liga gegen gute Gegner performen muss. Wir müssen daher innerhalb der Mannschaft und des Vereins einen guten Mittelweg finden.

Sie gehen mit der Vienna in Ihre 5. Saison. Als Sie herkamen, gab es durchaus kritische Stimmen, die Ihnen aufgrund Ihres jungen Alters und fehlender Erfahrung die Qualität abgesprochen haben. Ist das jetzt eine späte Genugtuung?

Ich spüre keine Genugtuung. Ich habe natürlich immer wieder kritische Stimmen wahrgenommen, aber Kritik ist normal im Fussballgeschäft. Ich habe das immer entspannt gesehen. Wir sind auf keinem Kindergeburtstag, Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Da geht es in alle Richtungen. Aufgrund meines Vaters (Anmerkung: Vater Georg war u.a. Trainer bei Rapid und Austria) bin ich schon in jungen Jahren in Stadien gewesen, ich weiß, wie das Geschäft rennt. Auch habe ich durch die Tätigkeit meiner Schwester (Anm: Alina ist Sportreporterin beim ORF) Einblicke in die  Medienwelt bekommen. Ich weiß auch, dass sich das Trainerkarussell schnell dreht. Sollten wir in den ersten Runden nichts reißen, werden die Kritiker wieder zurückkommen. Aber damit muss man umgehen können.

Gibt es mit Vater und Schwester öfters einen gemeinsamen Austausch?
Wir telefonieren fast täglich und tauschen uns aus. Nicht immer sind wir einer Meinung (lacht). Fussball war bei uns in der Familie immer schon ein fester Bestandteil, selbst am gemeinsamen Mittagstisch.

Mit 28 Jahren sind Sie der jüngste Trainer der Liga. Ein Nachteil?
Mein Slogan lautet: Alter ist keine Qualifikation. Egal, ob du jung und unerfahren, oder alt und erfahren bist. Es gibt nur schlechte oder gute Arbeit. Das ist entscheidend. Ich versuche immer, so viele Inputs wie möglich aufzunehmen – von allen Seiten. Natürlich auch von meinem Vater, der zur älteren Trainergeneration gehört. Wenn man die unterschiedlichen Sichtweisen kennt, hilft das enorm. Dass viele Spieler älter sind als ich, habe ich bisher nie als Problem gesehen, weil ich mit ihnen so umgehe, wie ich es mir als Spieler seinerzeit immer gewünscht habe. Ich pflege mit allen einen sehr respektvollen Umgang auf Augenhöhe, auch, wenn es einmal unangenehme Themen zu diskutieren gibt. Ein Vorteil meines jungen Alters ist sicher, dass ich einen sehr guten Zugang zur jungen Generation habe, weil ich sehr nahe an ihr dran bin.

Sie haben die Vienna 2018 in der 2. Landesliga übernommen. Sie haben seither Höhen und Tiefen erlebt, wie manch ein Trainer in seiner ganzen Laufbahn. Gab es Momente, wo Sie auch mal an daran gedacht haben, alles hinzuschmeißen?
Diese Momente hat es immer wieder mal gegeben. Das ist aber ganz normal, wenn man merkt, mit welcher Leidenschaft und Bereitschaft die Leute im Verein – vom Platzwart bis zum Präsidenten - tätig sind. Da wird dem Erfolg des Vereins alles untergeordnet. Wenn man dann Rückschläge wie Corona kommen, beginnt man sich natürlich schon Sorgen zu machen, weil viel auf dem Spiel steht. Nicht nur finanziell für den Klub. Man weiß einfach nicht, wie es weitergeht, man hat keine Planungssicherheit. Dass sich das Ganze dann wiederholte, hatte das natürlich eine extreme Reichweite. Es waren Arbeitsplätze gefährdet und Familienexistenzen standen auf dem Spiel. Wir haben in den letzten zwei Jahren gefühlt zehn Mal den Kader geplant, wussten aber nie, für welche Liga. Wir konnten etwa keine Verträge abschließen. Das war schon nicht immer ganz leicht. Gottseidank hatten wir in dieser schwierigen Phase mit Roland Schmidt (IMMOunited) und Kurt Svoboda (UNIQA) zwei sensationelle Partner, die immer ruhig geblieben sind. Wir haben uns gesellschaftlich untergeordnet und haben als einziger Klub auch keine Klagen erwägt, sondern haben in Kooperation mit der Privatklinik Döbling Corona-Konzepte – auch für den Amateursport und unseren Nachwuchs . entwickelt. Das war auch ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Klubs. Wir alle haben viel gelernt, aber es hätte natürlich auch anders kommen können.

Sie studieren nebenbei Architektur, stehen knapp vor dem Abschluss. Wie wichtig war es Ihnen, da ein zweites Standbein zu haben?
Aufgrund von Verletzungen habe ich relativ früh einsehen müssen, dass meine Karriere als Spieler nicht allzu lange sein wird. Mir war aber schon während meiner aktiven Spielerkarriere eine berufliche Rückversicherung wichtig. Ich wollte aber dem Sport trotzdem immer treu bleiben, in welcher Funktion auch immer. Wichtig war mir immer, dass ich nicht von irgendwas abhängig bin, weil sonst kannst du keine freien Entscheidungen mehr treffen.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Auf unsere Heimspiele generell. Es warten viele attraktive Gegner. Die Atmosphäre auf der Naturarena mit unseren Fans im Rücken, das hat schon was. Ich glaube, dass davon die gesamte Liga profitieren wird. Vor allem, was die mediale Aufmerksamkeit betrifft.

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