„Bregenzer Festspiele"

24. March 2023 in 2. Liga

Fast sieben Monate ungeschlagen, St. Pöltens Starelf abgehängt und fast noch die späteren Champions-League-Helden von Sturm Graz zu Fall gebracht. Roland Kornexl erinnert sich an eine super Truppe mit ganz viel Offensivpower und das ganz normale Chaos mit dem dem einzigartigen Klub-Präsidenten Hans Grill.

 

Eigentlich hätte der Meisterteller für den Aufstieg ja 550 Kilometer weiter östlich landen müssen. St. Pölten war 1998/99 der ganz große Favorit. Doch das ganze Geld für die zusammengewürfelte Startruppe mit Artner, Narbekovas, Ivanauskas, Akagündüz und Co. war umsonst. Schwarz-Weiß Bregenz machte das Rennen und nur ein paar Monate später pickte der Kuckuck am St. Pöltner Vereinsinterior. „Sie waren vom Kader wesentlich besser, aber wir hatten eine super Truppe mit einem tollen Zusammenhalt“, erklärt Roland Kornexl, der damals die Vorarlberger als Kapitän und Libero anführte. Er und sein Bruder Harald, der vor ihm als Sechser aufräumte, waren dabei als einzige Bregenz-Kicker sogar noch nebenbei berufstätig. Roland bei der Bank und Harald bei der Versicherung. Dass sie im Sommer 1999 ihre Jobs kündigen und in der Bundesliga auflaufen würden, ahnten die Kornexl-Bros. damals noch nicht.

Kultfigur Hans Grill

Ein gewisser Hans Grill stieg damals beim Klub am Bodensee ein. Vom Fußball hatte er ungefähr so viel Ahnung wie Frank Stronach – dafür steckte der Steirer aber ebenfalls viel Geld in sein Liebkind. „Ein lustiger Vogel mit dem Herz am rechten Fleck.“, erinnert sich Kornexl an den Mann, der immer so viel Bargeld eingesteckt hatte, dass er sich extra tiefe Hosentaschen nähen lassen musste, um nichts davon auszustreuen. Ohne ihn hätte der Klub auch nicht nach dem Aufstieg noch 6 Jahre in der Bundesliga gespielt, bis das Kartenhaus in sich zusammenfiel. Apropos Karten – für Journalisten war der kultige Eigenbrötler am Sonntag oft schwer erreichbar – da hatte er immer seine Kartenrunden. Nie vergessen wird Kornexl, als Grill einmal spontan einen Mann in einem Autohaus für ein Probetraining rekrutierte, nur weil er stark und groß aussah: „Am Platz hat sich herausgestellt, er hatte noch nie in seinem Leben Fußballschuhe an. Mit Hans war es immer spannend, jeden Tag ist was passiert. Ohne ihn wäre Bregenz aber nie so weit gekommen. Gott hab ihn selig.“ Hans Grill verstarb 2017 mit 86 nach langer Krankheit.

Offensiv nicht aufzuhalten

Gleich in der ersten Saison von Grills Engagements glückte Bregenz der Aufstieg. Prunkstück war dabei die Offensive: Mit dem kopfballstarken Nordmazedonier Aco Stojanovic und den zwei Neuzugängen Goalgetter Matthias Bleyer (18 Tore) und Spielmacher Herbert Gager. „Viele konnten gar nicht glauben, dass er bei uns spielt: Ist das wirklich der Gager von der Austria? Haben sie gefragt“, erinnert sich Kornexl. 66 Tore gelangen dem Bregenzer Offensivexpress in 36 Runden. „Wir waren so dominant in der Offensive, da haben wir kaum auf die Gegner geschaut.“ Dabei legte die Mannschaft eine unglaubliche Serie hin mit 22 ungeschlagenen Spielen in Folge – stand daher vier Runden vor Schluss schon als Meister fest. Vom 29. August bis inklusive 17. April ging sie in der 2. Liga nicht als Verlierer vom Platz. Nur im Cup-Achtelfinale setzte es eine mehr als unglückliche Niederlage gegen den späteren Double-Gewinner Sturm Graz. Selbst auswärts bei den späteren Champions-League- Helden lag Bregenz voran. Erst in der letzten Minute verlor Schwarz- Weiß die heiß umkämpfte, umstrittene Partie, bei der Schiri Wolfgang Schmole in der letzten Viertelstunde 4 Spieler vorzeitig duschen schickte.

Untergehen, aber mit Spaß

In der Bundesliga hielt sich Bregenz dann erstaunlich lange. „In den sechs Saisonen haben wir aber fünfmal gegen den Abstieg gekämpft“, erklärt Kornexl, der nach seinem Karriereende ab 2002 als Co-Trainer werkte. Als es schließlich im Frühjahr 2005 mit dem Klub zu Ende ging, der Konkurs bereits feststand, durfte Kornexl noch einmal 15 Spiele den Cheftrainer machen: „Das war der Wunsch der Mannschaft. Sie haben gesagt: Gehen wir mit Roland unter, da machts wenigstens Spaß.“

 

Fotos: GEPA pictures

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