Kapfenberger Legenden

8. April 2019 in 2. Liga Die KSV 1919 hat in den ersten 100 Jahren Ihres Bestehens viele große Spielerpersönlichkeiten hervorgebracht. Ein WM-Teilnehmer des Jahres 1958 und ein Aktiver Spieler stechen heraus. Der eine, weil er heute noch erzählen kann, was Brutalität wirklich bedeutet. Und der andere, weil er Vereinstreue verkörpert wie kein Zweiter.

Im Jahr 1957 ist die österreichische Nationalmannschaft im Alpenstadion in Kapfenberg zu Gast. Gegen den Lokalmatador KSV 1919 wird ein Testspiel eingeschoben, um sich für das Auswärtsspiel in den Niederlanden vorzubereiten. Ignaz Puschnik zieht im Mittelfeld der Hausherren die Fäden. Aber nur eine Halbzeit lang.

Ich dürfte ganz gut gespielt haben“, erinnert sich Puschnik zurück. „Nationaltrainer Josef Argauer wollte, dass ich in der Halbzeit Mannschaft wechsle. Und nach dem Spiel bin ich in den Bus des Teams gestiegen. Sie wollten mich unbedingt dabei haben.“

Puschnik, den alle nur nach seinem zweiten Vornamen Herbert riefen und rufen, ist die eine der größten Legenden, die die Kapfenberger Sportvereinigung seit ihrer Gründung im Jahr 1919 hervorgebracht hat: WM-Teilnehmer 1958, sieben Länderspiele für das A-Team, einige mehr für das B-National­team. Auch heute lebt er noch immer in Kapfenberg. Mit seiner Frau Inge hat er gerade eine neue Wohnung bezogen. Er erfreut sich auch mit 85 Jahren guter Gesundheit, erzählt von seiner Zeit als Fußballer, als hätte er vor ein paar Jahren, nicht vor einigen Jahrzehnten gespielt. „Damals“, erinnert er sich zurück, „waren wir ein wirklich gutes Team.“ Ein paar Tausend Zuschauer seien immer im Stadion gewesen bei den Heimspielen. Im Sog der Metallverarbeitung der Umgebung war Kapfenberg mit den Böhler-Werken eine Region des Aufschwungs. „Es gab nicht viele Orte, an denen man die Möglichkeit hatte, auf einem gewissen Niveau Fußball zu spielen. In Kapfenberg schon“, erinnert sich Inge Puschnik, die selbst Leichtathletin war. „Wir hatten auch deshalb ein gutes Team, weil wir aus Wien Spieler zu uns holten“, erklärt ihr Mann. „Sie kamen her und bekamen eine ordentliche Arbeit. Mit dem Fußball selbst konnte man wenig Geld verdienen. 150 Schilling war die Siegprämie.“

Tournee der Falken

Puschnik selbst war gelernter Former, arbeitete im Böhler-Werk, das heute noch für Arbeit und Wohlstand in der Stadt sorgt und aktuell gerade das modernste Edelstahlwerk der Welt baut. „Ich kann mich an viele Heimspiele erinnern, wo ich bis kurz vor Ankick arbeiten musste“, erzählt Puschnik vom Alltag eines Spitzenspielers der 50er- und 60er-Jahre. Sein Team war so gut, dass es auch auf Tournee ging. Von Frankreich, über Nordafrika bis nach Israel zeigten die Falken ihr Können. Und gewannen fast alle Partien. Puschnik verbrachte seine gesamte Karriere in Kapfenberg. Einmal, als er in Marseille spielte, wäre er fast gewechselt. „Die Franzosen wollten mich dortbehalten, aber ich war wahrscheinlich etwas zu feig“, lächelt er nur. Wenn er einmal nicht im Vereinsdress der Kapfenberger oder jenem des Nationalteams auflief, dann weil ihn eine Mannschaft für eine Reise ausborgte. So wie Wiener Neustadt, das ihn mit auf Tournee nach Russland nahm. „Es waren tolle Erlebnisse, ich habe viel von der Welt gesehen.“ Als guter Fußballer erhielt er bald einen Job als Verwalter bei einer Siedlungsgenossenschaft. Noch heute ist er immer wieder Gast im Franz-Fekete-Stadion.

Zaungast Qualtinger

Kapfenberg ist den Fußballfans in Österreich ein Begriff. Aber nicht nur allein wegen der erfolgreichen Zeit in der Staatsliga zu Zeiten von Ignaz Puschnik. Auch wegen eines legendären Auswärtsspiels im Oktober 1958. 1:0 gewannen die Obersteirer durch ein Tor von Helmut Hauberger vor 4.000 Zuschauern ein Auswärtsspiel gegen Simmering. Der Torschütze schied kurz vor Spielende verletzt aus. Ein offener Knochenbruch war das Ergebnis eines brutalen Zusammenstoßes mit Simmering-Tormann Bruno Engelmeier, er spielte nie wieder Fußball. „Ich bin mit dem Helmut ins Spital gefahren mit der Rettung. Den haben sie da ordentlich niedergetreten. Aber sonst war es kein besonders hartes Spiel“, erzählt Inge Puschnik. Trotzdem erlangte das Spiel große Berühmtheit, weil sich im Publikum der damals junge Helmut Qualtinger befand, der bald für folgenden berühmten Sager sorgte, der die Ewigkeit überdauern wird: „Simmering gegen Kapfenberg – das nenn’ ich Brutalität.“ Ignaz Puschnik erinnert sich zurück. „Es war halt so, dass es bei Simmering drei oder vier Herren gab, die wirklich brutaler eingestiegen sind. Das ist wohl eher der Grund für diesen Mythos.“

Captain Zuverlässig

Während Puschnik für die erfolgreiche Zeit der Kapfenberger in der Vorzeit der Bundesligagründung steht, findet sich eine der großen Legenden der Neuzeit noch immer im Kader der Falken: David Sencar. Mit 20 Jahren kam der gebürtige Leobener vom GAK zur KSV. Heute ist er 35. Und führt das Team als Kapitän aufs Feld. „Mein größtes Highlight habe ich eigentlich schon am Anfang meiner Zeit in Kapfenberg erlebt“, erzählt er. 2008 war er mit 24 Jahren wichtiger Bestandteil jenes Teams, das der Stadt erstmals nach 41 Jahren wieder Erstligafußball bescherte. „Die Saison war ein Wahnsinn. Die Truppe sensationell. Jeder ist für jeden gerannt. Da ist einfach so ein Flow entstanden und wir haben nicht aufgehört, zu gewinnen.“ Zwölf Tore und zwölf Assists steuerte Sencar bei.

In der Folge sollte Sencar nur zwei Jahre – als er bei Hartberg bzw. der Vienna unter Vertrag stand – nicht im Dress der Falken auflaufen. „Die Infrastruktur und das Umfeld waren in Kapfenberg immer überragend. Auch haben wir mit Erwin Fuchs einen Präsidenten, der immer darauf schaut, dass der Verein sich weiterentwickelt“, sagt er heute. „Ich habe immer gerne hier gespielt und mich immer wohl gefühlt. Das ist heute nicht anders.“ Vor Start in die Frühjahrssaison der 2. Liga steht David Sencar bei 392 Einsätzen für die Kapfenberger. Im Frühjahr wird er die 400er-Marke knacken.

Kaderschmiede Kapfenberg

Seine Rolle hat sich im Laufe der Jahre verändert. Sencar ist heute Kapitän und Routinier. Der zweitälteste Akteur des aktuellen Kaders ist Daniel Rosenbichler. Mit 23 Jahren. Kapfenberg ist bekannt dafür, auf junge Akteure zu setzen und Spieler zu entwickeln. Erst diesen Winter wechselte mit Albert Vallci ein früherer Falke zu Salzburg und im Herbst gehörten zwei weitere frühere Kapfenberger, Florian Flecker (Hartberg) und Dominik Frieser (LASK), zu den Shootingsstars der Tipico Bundesliga. Wir haben auch jetzt wieder viele junge Talente im Team“, sorgt sich Sencar wenig um die Zukunft des Vereins. Und auch um sich selbst nicht. „Ich fühle mich noch immer gut, mein Körper macht mit.“ Sencar ist auch der verlängerte Arm des Trainers. „Die Jungen schauen zu mir auf“, sagt er. Aber wohl nicht nur, weil er so viel Routine hat. Sondern auch, weil sie mit einer der beiden großen Legenden der Kapfenberger SV der vergangenen 100 Jahre zusammenspielen.

Von Peter K. Wagner

Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.

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