Archivare der Leidenschaft

16. August 2018 in 2. Liga Ferdinand Zach und Gerhard Kaltenbeck verpassen seit Jahren kein Spiel ihrer Teams. Die beiden Ehrenamtlichen zeigen, dass es Leidenschaft nicht nur in den großen Fankurven des Landes gibt.

In den Farben sind Gerhard Kaltenbeck und Ferdinand Zach getrennt, aber sie vereint ein unaufhörliches Interesse für den Fußball. Seit Jahrzehnten besuchen sie die Spiele ihrer Mannschaft, Zach jene des FAC, Kaltenbeck die der Austria. Doch ihr Engagement für die Klubs hört dort nicht auf, seit Jahrzehnten begleiten sie nicht nur die ersten Mannschaften der Teams, sondern auch den Nachwuchs. Sie sind so zu wandelnden Lexika der Klubgeschichte geworden. Zach und Kaltenbeck sind Stützen ihrer Vereine, auch wenn man sie weder in der ersten Reihe, noch am Feld selbst findet.

Stolzer Archivar

Ferdinand Zach hat eigentlich keine Funktion mehr beim Floridsdorfer AC. Wenn sich der 73-Jährige aber am FAC-Platz zeigt, grüßt ihn jeder der dort Anwesenden. Der Platzwart winkt vom Rasenmäher, Teammanager Lukas Fischer nimmt sich fünf Minuten Zeit, um mit Zach über die abgelaufene Saison zu reden. „Aber sie verraten mir ja keine Geheimnisse mehr“, beschwert sich der gebürtige Floridsdorfer wenig später mit einem Augenzwinkern.

1963 begann die Beziehung zwischen ihm und dem FAC. Damals, da spielte die Admira und noch nicht der FAC in der Hopfengasse, war er noch als Kicker aktiv. Bis 1972 dauerte seine Karriere, da war Zach 27. „Dann hat mir der Sektionsleiter gesagt ‚Aus dir wird kein großer Kicker mehr, willst nicht was anderes machen?‘“ Zach wird Nachwuchstrainer, wenig später Leiter der gesamten Nachwuchsabteilung. Er ist engagiert, besucht Lehrgänge und schreibt Konzepte.

Als Archivar, wie Zach sich selbst bezeichnet, hat er sie selbstverständlich aufgehoben. Er blättert die maschinengeschriebenen Papiere, sein Stolz ist kaum zu übersehen. „Wir haben schon Aerobic gemacht, da hat die Konkurrenz noch nicht einmal gewusst was das ist“, sagt Zach. „Das hat sich ausgezahlt.“ Dann präsentiert Zach Nachwuchstabellen aus den frühen 1990ern und erzählt mit leuchtenden Augen, wie die U14 des FAC 1976 an der Bundesmeisterschaft teilnahm.

Edelfan und Allesfahrer

1994 legte Zach seine Funktion zu-rück, heute ist er der Vorzeigefan des FAC. Seit dem Aufstieg in die Bundesliga verpasste er gerade einmal zwei Spiele der Kampfmannschaft. Meistens fährt er mit dem Zug, manchmal auch mit Freunden im Auto. Nur wenn das nicht möglich ist, reist er gemeinsam mit dem Team an. Im Mannschaftsbus wolle er nicht mitfahren, erzählt der Allesfahrer, dann würde er nur anfangen, die Spieler unnötig aufzustacheln. „Ich kann nicht anders“, sagt er lachend. Immerhin wird Zach im Stadion dann rundumversorgt. Eine der Eintrittskarten, die den Floridsdorfern als Gastmannschaft zusteht, ist immer für ihn reserviert, ein Ticket musste er schon lang nicht mehr kaufen.
 „Das Essen und das Drumherum sind super“, sagt Zach. „Aber ich will in erster Linie Fußballschauen. Sonst würde ich mir das alles nicht antun.“ Dabei sind die Spiele der Kampfmannschaft längst nicht alle, die sich der Nachwuchsleiter außer Dienst ansieht. Auch zu den Spielen der Amateure, die in der vergangenen Saison den Aufstieg in die 2. Landesliga fixierten, geht Zach nach Möglichkeit. Und den Nachwuchs hat er noch immer nicht vergessen. “Am Wochenende spielen unsere U14 und U16 daheim gegen den Sportklub”, sagt er. „Da muss ich schon da sein.”

Gemessen an den 55 Jahren, die Zach mit dem FAC verbinden, liegt seine schönste Erinnerung mit dem Verein nur einen Augenblick zurück. Bei der Relegation gegen Austria Salzburg in der Saison 2013 / 14 wurde für Zach ein Traum wahr. „Gegen die Austria hat uns niemand eine Chance gegeben“, erinnert sich Zach. „Dann haben wir in zwei Spielen klar besser gespielt. Das war eine Sensation.“ Während er das erzählt, zieht der FAC-Fan ein Tablet aus seiner Tasche und sucht auf Youtube die Spielzusammenfassung des Salzburger Lokalfernsehens. Der Floridsdorfer Archivar geht mit der Zeit.

Violetter Meidlinger

Das tut auch Gerhard Kaltenbeck, wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten. Der Teammanager der Young Violets, des Amateurteams der Wiener Austria, hat im Frühjahr sein neues Büro in der neuen Generali-Arena bezogen. Statt Schlüsseln sperren jetzt Chipkarten die Türen auf, heute hat Kaltenbeck vergessen, den Chip zu aktivieren. Das Problem ist schnell behoben, eine Kollegin borgt ihm ihre Chipkarte. „Die Technik ist manchmal ein Hund“, sagt Kaltenbeck während er über die Stadionbaustelle führt. „Aber die Räumlichkeiten hier sind super, da gibt es gar nix.“

Seit den 1960er Jahren geht er zur Wiener Austria, schon sein Vater war ein Violetter. Als Meidlinger hatte er als Bub auch noch einen zweiten Verein, die Wacker. „Als die dann 1971 mit der Admira fusionierten und in die Südstadt zogen, gab es aber nur mehr die Austria“, erzählt Kaltenbeck.

Vom Fan zum Funktionär wurde der 60-Jährige Mitte der 1990er-Jahre. Nach dem Sieg der Austria in der Stadthalle 1995 / 96 fragte er den damaligen Klubmanager Werner Hebenstreit, ob er sich nicht ehrenamtlich für den Verein engagieren könnte. Wenig später kam Hebenstreit auf das Angebot zurück: Im neu etablierten „VIP light“-Sektor der Austria könnte Kaltenbeck doch als Ansprechpartner für die Zuschauer dienen und dazu die Mannschaftsaufstellungen verteilen. „Ich habe das gern gemacht“, sagt Kaltenbeck. „Es gibt einfach kaum etwas Schöneres, als am Fußballplatz zu sein.“

In Doppelfunktion

Die Leidenschaft brachte Kaltenbeck auch in Kontakt mit den Amateuren. Unter der Obhut Walter Weiss‘, langjähriger Betreuuer des violetten Nachwuchses, begann der jetzige Teammanager in den 2000er Jahren die Zweitvertretung der Violetten zu begleiten – auch auswärts. Kaltenbeck erzählt von der vertrauten Stimmung und vom Flair der Fußballplätze abseits der Bundesliga. „Außerdem ist es super, wenn du hautnah mitkriegst, wie sich ein junger Bursch‘ weiterentwickelt“, sagt er.

„Wir hatten damals ja eine super Truppe.“ Von 2005 bis 2010 spielten die Austria Amateure schon einmal in der zweithöchsten Spielklasse, Kicker wie Andreas Ulmer, Rubin Okotie und Aleksandar Dragovic waren die Aushängeschilder des Teams. 2009 wurde Kaltenbeck Teammanager, er kümmert sich um das Administrative: Das heißt unter anderem die An- und Abreise  zu den Matches, Unterkünfte und Freundschaftsspiele.

Die Rolle, die der Nachwuchs bei der Austria spielt, macht für Kaltenbeck die Arbeit umso erfüllender. “Als wir damals in der Champions League ge-spielt haben, war unsere U19 in der Youth League”, erinnert er sich. „Wenn ich daran denke, was da los war, bekomme ich heute noch Gänsehaut.” Knapp 3.000 Leute kamen damals, als die Jungveilchen im entscheidenen Gruppenspiel gegen Zenit St. Petersburg mit einem 2 : 1-Sieg den Aufstieg ins Achtelfinale fixierten.

Teammanger der Young Violets ist aber nur eine der Funktionen, die Kaltenbeck bei der Austria ausübt. Daneben kuratiert er das Vereinsmuseum. „Wir hatten im alten Stadion einen Raum, der bis oben voll war mit Pokalen und Erinnerungsstücken“, erzählt er. „Aber niemand wusste genau was da drin war.“ Und so beginnt Kaltenbeck eine Liste anzulegen und die künftigen Exponate zu katalogisieren. Bald wird klar, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten.

Gemeinsam mit dem Verein entwickelt Kaltenbeck ein Konzept, 2009 wird das Museum der Wiener Austria eröffnet. „Das war damals wie das erste Familientreffen nach einer langen Trennung“, erzählt der Kurator. „Auch jene Legenden, die in der Ära Stronach vergrault worden sind, waren dann wieder da.“ Während des Stadionumbaus war das Museum geschlossen, mit der Eröffnung wird es wieder zugänglich – und hat dann auch einen zusätzlichen Raum zu bieten.

„Meine Arbeit wird geschätzt“, sagt Kaltenbeck. „Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.“

Von Moritz Ablinger

Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.

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