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30. Juli 2025

Die zweite Chance

Zehn Jahre nach dem ersten Aufstieg in den Profifußball kehrt der wiederauferstandene SV Austria Salzburg zurück in die ADMIRAL 2. Liga. Mit dem kleinsten Budget, aber der größten Leidenschaft ist der Traditionsverein diesmal gekommen, um zu bleiben.

„Die Austria wird euch alle überleben“, prangt über der Fantribüne in weißen Großbuchstaben im Max-Aicher-Stadion, der Heimstätte des SV Austria Salzburg. Das Motto, es könnte passender nicht sein für den Traditionsverein. Es regnet in bester Salzburger Schnürlmanier, als an diesem Juli-Freitag langsam die ersten Spieler in Maxglan eintrudeln. Reger Betrieb ist für diesen Nachmittag im Westen der Mozartstadt, unweit der Stiegl-Brauerei und des Flughafens, angesagt. Immerhin steht der Fototermin der Mannschaft auf dem Programm. Angesetzt ist er um 15 Uhr. „Die Spieler werden nach und nach eintrudeln“, sagt Pressesprecher Alexander Hütter zum Fotografen, der gerade das mobile Studio in einem Aufenthaltsraum aufbaut. „Viele kommen direkt von der Arbeit.“ Die Salzburger Austria ist endlich wieder zurück im Profifußball – oder zumindest im Halbprofi-Fußball, wie es beim Großteil der Mannschaft besser passt. Der zweite Aufstieg in die 2. Liga gelang exakt ein Jahrzehnt nach dem ersten – und 20 Jahre nachdem die Fans nach dem Einstieg von Red Bull beim Bundesliga-Klub in Wals-Siezenheim ihren eigenen Weg gegangen sind. Man kennt die Geschichte. Nicht nur in Salzburg oder Österreich – in ganz Europa steht der SV Austria Salzburg für die Kraft einer Gemeinschaft, die aus unbeugsamer Vereinsliebe entstanden ist. 

Nur der AFC Wimbledon, der sich nach der Umsiedlung des englischen Kultklubs nach Milton Keynes formierte, oder der FC United of Manchester, die Antwort auf den Einstieg der Glazers bei Manchester United, haben vergleichbare Biographien. In Fußballkulturkreisen gibt es kaum einen Verein, der so angesehen ist wie die Austria – und nicht nur Fußballromantiker waren sich diesen Frühsommer an den österreichischen Stammtischen einig: Schön, dass Austria Salzburg wieder zurück ist. Nur, dass sie diesmal länger bleiben soll als beim letzten Mal. Aber der Reihe nach.

Schockverliebt dank Krankl

Einer, der an der zweiten Profifußballrückkehr federführend beteiligt war, hat im zum Fotostudio umfunktionierten Raum Platz genommen: David Rettenbacher. Seine Vita steht stellvertretend für so viele, die in den letzten zwei Jahrzehnten mitgeholfen haben, dass sich die Mozartstädter von der letzten Spielklasse zurück in den Bundesliga-Fußball kämpften. Seine Austria-Sozialisierung liest sich wie folgt: Im November 1988 sieht er mit sieben Jahren sein erstes Spiel im Stadion Lehen, es ging um den Aufstieg in die erste Liga. Es war ausgerechnet jene Begegnung, für die ein gewisser Hans Krankl in einer Nacht und Nebelaktion verpflichtet wurde. 

„Ich bin dort reingekommen und nach 90 Sekunden schießt der Krankl eines der legendärsten Austria-Tore, das wir auf dem aktuellen Auswärtstrikot in Form einer Zeichnung verewigt haben“, erinnert er sich an den Seitfallzieher, der zum Tor des Jahres der Saison 1988/89 gekürt wurde. „Da bist du natürlich schockverliebt“, sagt er weiter. „Das entschuldigt vielleicht, warum ich so einen Austria-Vogel habe.“ Rettenbacher ist aktuell Obmann des Vereins – in den Vorstand trat er vor mittlerweile acht Jahren ein. „Ich bin dazu gekommen, als die ganze Konkursgeschichte überstanden war.“ Die Konkursgeschichte – ein gutes Stichwort. 

In der Saison 2015/16 spielen die Salzburger erstmals seit der Wiederauferstehung in der 2. Liga. Doch der Verein scheint noch nicht reif. Die Fehler von damals will man diesmal nicht begehen. „Ich glaube, der Verein hat daraus gelernt. Es sind auch andere Verantwortliche am Werk, vor allem unser Präsident. Und was diesmal auch sicher hilft: Die Infrastruktur ist geklärt.“ An vier verschiedenen Standorten mussten damals Heimspiele ausgetragen werden – sogar am über 300 Kilometer entfernten FAC-Platz in Wien. Auch waren es noch die Zeiten vor der Ligareform, die 2. Liga war eine Zehnerliga – das Halbprofitum, das in der 16er-Liga möglich ist, war keine Option. Der Schritt damals, er war zu groß. Der Verein übernahm sich finanziell – und schlitterte in den Konkurs.

Das niedrigste Budget

Übernehmen will sich in der Saison 2025/26 keiner in Violett. „Mit dem Budget, das uns für die Kampfmannschaft zur Verfügung steht, sind wir sicher abgeschlagen Ligaletzter“, weiß Rettenbacher. Er muss das Gespräch kurz unterbrechen, denn im Hintergrund wartet mit Luca Meisl ein Mann auf die Vertragsunterschrift, der Bundesliga-Erfahrung nach Maxglan bringt und mithelfen soll, dass es nicht nur eine einjährige Rückkehr in den Profifußball wird. 

Praktischerweise trudelt aber zwischen all den Spielern bald auch ein anderer wichtiger Mann des Vereins am Stadiongelände ein – Claus Salzmann. Zur gleichen Zeit wie Rettenbacher trat er in den Verein ein – als Präsident. Der erfolgreiche Unternehmer war gestern noch in Deutschland, heute ist er beim Fototermin dabei. Eigentlich wider Willen. „Ich wollte zum 90. Geburtstag des Vereins aufhören“, sagt er ganz offen. 

Das war 2023. Dann hätte nach dem lang erwarteten ersten Pflichtspiel gegen Red Bull Salzburg – 2. ÖFB-Cup-Runde im September 2023 – Schluss sein sollen. Immer wieder scheiterte er dabei, einen Nachfolger zu finden. „Der Aufstieg wäre ein schöner Abschluss gewesen. Ich habe auch den Vorstand vorab informiert – 7. Juni, letztes Saisonspiel, mein Abschluss.“ Doch wieder wurde es nichts. „Und dann sind halt die Leute auf mich zugekommen, die ich gerne mag“, sagt er. Und zeigt auch auf David Rettenbacher. „Dann ist es halt schwierig, zu gehen.“ 

Seine Amtszeit ist jedenfalls mehr als positiv. „Der Hintergrund des geplanten Abschieds zum 90er war auch, dass ich den Verein bis dorthin schuldenfrei machen wollte – ich habe ihn ja mit 760.000 Euro minus übernommen. Schuldenfrei waren wir dann sogar ein bisschen schneller.“ Nur eine Sache hat Salzmann nicht geschafft – der Austria endlich eine neue Heimat zu ermöglichen. Wenige Stunden vor unserem Gespräch ließ die Salzburger Politik verlauten, drei mögliche Standorte für ein neues Stadion festgelegt zu haben. 

„Wir kennen die Standorte schon lange, sogar zwei weitere“, sagt Salzmann. Die Heimstätte in Maxglan, die glücklicherweise im zweiten Anlauf auch 2.-Liga Spiele beherbergen darf – im Vorjahr wäre man sportlich ebenfalls aufgestiegen, scheiterte aber an einer rechtzeitigen Baubewilligung für eine Schallschutzmauer – ist eigentlich zu klein. „Exakt 1.766 Zuschauer dürfen wir reinlassen“, sagt Salzmann. Dabei zählt der Klub schon über 1.600 Mitglieder. „Wir passen auch immer auf, dass wir nicht zu viele Abos haben, weil wir auch neuen Menschen ermöglichen wollen, die Austria zu sehen.“ Max-Aicher-Stadion heißt die aktuelle Heimat der Salzburger übrigens.

Vergebene Chance

Und wer Max Aicher sagt, der muss sich auch noch einmal an Dezember 2021 erinnern. An mehreren Orten in und um das Stadion sind Visualisierungen von jenen Plänen zu finden, die die Gruppe des deutschen Unternehmers realisieren wollte. Ein Mehrzweckstadion für 5.000 Zuschauer mit angeschlossener, 428 Einheiten umfassender Wohnanlage. Die eine Hälfte für Eigentum, die andere Hälfte sozialer Wohnbau war der Plan. Das Projekt hätte die langersehnte Suche nach einer Heimat für den Verein beendet. „Der Herr Aicher ist einer unserer großen Sponsoren und hätte der Stadt das Stadion geschenkt“, sagt Salzmann. 

Doch das Projekt am Messegelände durfte nie realisiert werden. „Es gibt Teileigentümer des dortigen Areals – das Land Salzburg, die Stadt Salzburg und den Wirtschaftsbund. Und die drei konnten sich nicht darauf einigen, dass das Projekt realisiert wird.“ Die Austria selbst könne sich ein Stadion nie leisten, weiß Salzmann, dass die Stadt die finanziellen Mittel nicht habe, verstehe er auch. „Ob Herr Aicher heute noch für das Projekt zu gewinnen wäre, ist allerdings fraglich.“ 

Positiven Druck für den Erhalt eines eigenen Stadions kann ein Sportverein immer am besten über Erfolge machen – das weiß auch Christian Schaider. Der Freilassinger konnte dereinst den Kontakt zu Max Aicher einfädeln und ist auch schon seit acht Jahren bei der Austria tätig. Er weiß, was auf ihn und sein Team nun in der 2. Liga zukommt. „Wir waren erfolgsverwöhnt die letzten Jahre. Wir müssen uns in verschiedenen Bereichen an die höhere Liga anpassen – auch im mentalen Bereich“, sagt er. „Es ist in unserer DNA, dass wir trotz Druck auch Fußball spielen wollen. Aber was wir mit Sicherheit ändern werden, ist die Intensität, mit der wir gegen den Ball arbeiten werden.“ Ein Plus sind mit Sicherheit die Fans, die in Maxglan eine Atmosphäre schaffen, die auch in der 2. Liga ihresgleichen suchen wird. „Wir werden dafür sorgen, dass hier keiner gerne herfährt. Unsere fantastischen Fans geben uns einen extra Push und machen das Stadion hier zu einem kleinen Hexenkessel.“ Schaider blickt zuversichtlich auf die neue Saison. „Wir haben bisher alles miteinander geschafft. Warum sollten wir die 2. Liga nicht miteinander schaffen?“

Ein Kirchler für Außenschicht

Austria Salzburg verpflichtet Kirchler und Meisl

Bis zum Sommer war Schaider Trainer und Sportdirektor in Doppelfunktion. Doch seit kurzem kann er sich mit einer neuen sportlichen Führungskraft austauschen, die auch jetzt mit ihm gemeinsam Neuzugang Luca Meisl am Stadionrasen für ein Foto im Empfang nimmt – Roland Kirchler. Der ehemalige Austria-Spieler (Saison 2002/03) lernte seine Frau in seiner Zeit bei den Violetten kennen und war von der ersten Anfrage weg Feuer und Flamme für die Aufgabe. Er ist ein klares Investment in Richtung der Professionalisierung, wie es Obmann David Rettenbacher auf den Punkt bringt: „Wir haben einen Profi mit Außensicht gebraucht. Wir sind ein Fanverein. Das hat Vorteile, weil du weißt, dass jeder mit Herz dabei ist. Andererseits birgt es die große Herausforderung, dass du Entscheidungen aus der Emotion heraus triffst und nicht so, wie es logisch sein sollte.“ 

Und wie ist die Außensicht des Tirolers? „Grundsätzlich muss ich einmal sagen, dass das hier eine Herzensangelegenheit ist für mich. Ich hatte hier eine tolle Zeit, die Verantwortlichen waren mir sofort sympathisch. Über die Tradition müssen wir nicht reden und ich habe schnell bemerkt, wie viel Herzblut und Leidenschaft hier im Verein steckt.“ Dass das alleine nicht reichen wird, ist ihm bewusst. „Das Jahr wird extrem schwer, aber das Wort Abstieg nehmen wir nicht in den Mund – wir kämpfen für den Klassenerhalt. Ich habe das in Altach auch immer gesagt: Ich bin in meinem Leben nie abgestiegen – und das werde ich einhalten.“ 

Und wie sieht Präsident Salzmann die nahe Zukunft des Vereins? „Meine Vorstellung ist, dass wir das erste Jahr mal überleben.“ Es ist ihm, dem Traditionsklub und seinen vielen Fans zu wünschen. Und wenn nicht? Dann wissen wir alle, was über der Fantribüne steht. Richtig. „Die Austria wird euch alle überleben“. Ganz egal, in welcher Liga. 

Text: Peter K. Wagner, Fotos: GEPA PICTURES

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