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01. März 2021

Waldviertler Pioniere

Eigentlich war das Rückspiel nur mehr Formsache. Doch ganz ohne Probleme ging es für den SV Horn dann doch nicht über die Bühne. Der Regen drohte zum Spielverderber zu werden. Wie aus Sturzbächen fiel er an diesem 8. Juni 2012 vom Waldviertler Himmel, in der Anfangsphase der Partie so stark, dass Schiedsrichter Rene Eisner sie unterbrechen musste. Doch den 3.900 Zuschauern in der Sparkasse Horn Arena war das egal. Und als Eisner nach einer halben Stunde wieder anpfiff, konnte wirklich nichts und niemand mehr die Horner stoppen: Vier Tage nach dem vorentscheidenden 5:1 in Wattens gewannen sie auch das zweite Match der Relegation deutlich. Mit dem 4:0 fixierten die Waldviertler den Aufstieg in die 2. Liga. Es war der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Bis spät in die Nacht feierten ihn Hunderte Fans mit Spielern und Funktionären im Ortszentrum. Mittlerweile ist der Verein nicht mehr aus der 2. Liga wegzudenken. Zwar stieg er in der Zwischenzeit zwei Mal ab, doch beide Male gelang ihm der sofortige Wiederaufstieg. Trotz schwieriger Bedingungen schaffte es der Verein, sich zu etablieren – und zu einem Aushängeschild der gesamten Region zu werden. „Wir können stolz darauf sein, was wir hier schaffen“, sagt Geschäftsführer Andreas Zinkel.

Run im Waldviertel

Zinkel übernahm sein Amt im Sommer. Doch neu in Horn ist er nicht, im Gegenteil. Der 45-Jährige spielte schon von 1995 bis 2002 als Tormann beim Sportverein, von 2007 bis 2008 kehrte er ein erstes Mal zurück. „Da war von Profifußball noch keine Rede“, sagt er. „Aber im Waldviertel war Horn schon damals die Nummer Eins.“

Um den SV Horn zu verstehen, muss man das Waldviertel kennen. Österreich hat hier seinen nördlichsten Punkt, viele Menschen leben hier nicht. Die Region im Nordwesten Niederösterreichs ist dünn besiedelt. Bis 1989 trennte hier der eiserne Vorhang Österreich und die Tschechoslowakei, die Gebiete rund um die Grenze zu Tschechien sind bis heute spärlich bebaut. Auch die Städte, die es gibt, sind nicht groß. Neben Horn sind das Schrems, Zwettl, Gmünd und Waidhofen an der Thaya. Nur Zwettl hat mehr als 10.000 Einwohner, die anderen zwischen 5.000 und 6.000. Die Abwesenheit einer Metropole und die dünne Besiedlung ist auch ein Grund für die große Euphorie beim Aufstieg des SV Horn. Er war der erste Waldviertler Verein in einer der oberen beiden Ligen. Statt der großen Bühne prägten Derbys in der Landesliga den Fußball der Region. Lange war es der SC Zwettl, der den Ton angegeben hatte. Er hatte sich schon Mitte der 1980er Jahre in der Regionalliga festgesetzt. „Die Leidenschaft war immer enorm“, sagt Zinkel. „Fußball spielt hier eine große Rolle.“ Als Anfang der 1990er-Jahre Horn und Gmünd erstmals in die Regionalliga aufsteigen, sorgen die Derbys für einen wahren Zuschaueransturm. 1.500 Zuschauer sind es fast immer, manchmal auch mehr. 2.200 Leute kamen im Oktober 1992 zu einem Derby zwischen dem EPSV Gmünd dem SC Zwettl. Die Zwettler gewannen 3:1.

Die Stars kommen

Es war zu dieser Zeit, als auch Horn größer zu denken begann. Thomas Kronsteiner trat 1994 an, um den Klub zu neuen Höhen zu führen. Der damals 28-Jährige wird zum Vereinsobmann gewählt – während er noch als Tormann für den Klub spielt. Mit Werbeaktionen versucht er, den VIP-Klub des Stadions zu füllen und die Attraktivität des Stadionbesuchs zu erhöhen. Im Jahr darauf gelingt es ihm, den amtierenden Meister, Casino Salzburg, für ein Testspiel nach Horn zu locken. 2.000 Leute kommen, um Wolfgang Feiersinger, Otto Konrad und Tomislav Kocijan im ausverkauften Horner Stadion zu sehen. Ein Jahr später beendete Kronsteiner seine aktive Karriere. Er wurde Geschäftsführer im neu eröffneten Einkaufszentrum am Stadtrand. „Ohne Thomas Kronsteiner hätte der Verein niemals diesen Erfolg gehabt“, sagt Zinkel. „Seit über zwanzig Jahren steckt er hier sein Herzblut hinein.“ Doch der große Durchbruch folgte nicht sofort. Der Klub pendelte zwischen 1. Landesliga und Regionalliga, von der nationalen Bühne war man weit entfernt.

2005 wird Kronsteiner schließlich Vereinspräsident. Vier Jahre hängt der SV Horn zu diesem Zeitpunkt schon in der Landesliga fest. Doch Kronsteiner sorgt einmal mehr für frischen Wind. Er verpflichtet die ehemaligen Bundesliga-Profis Patrick Jovanovic, der in den 1990er Jahren acht Jahre für Rapid kickte und Georg Bardel, der zuvor bei Sturm und der Admira sein Geld verdiente. Der Plan geht auf. Schon 2007 kehrt der Verein in die Regionalliga zurück. Im selben Jahr wird er erstmals auf der nationalen Bühne vorstellig: Im ÖFB-Cup dringt er bis ins Viertelfinale vor. Ein Jahr später gewinnt der den Bewerb sogar, er wurde damals aufgrund der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz ohne die Profimannschaften ausgetragen.

„Das war super“, sagt der Bürgermeister der Stadtgemeinde, Jürgen Maier. „Da hat sich im Ort echt was getan.“ Denn nicht nur die Mannschaft am Feld hat Erfolg, auch der Klub wird größer. 2007 saniert er die Haupttribüne, Stück für Stück wird das Stadion größer. Auch auf die Jugend setzt der Klub seit jeher. „Den Profibetrieb können wir nicht finanzieren, das geht sich als Stadt mit 6.000 Einwohnerin nicht aus“, sagt Maier, der auch im Vorstand des Vereines sitzt. „Aber den Nachwuchs unterstützen wir tatkräftig.“

Große Namen in der Kleinstadt

Dass die Jugendarbeit gut funktioniert, macht auch ein Blick in die Bundesliga klar. Rapid-Innenverteidiger Leo Greiml kommt ebenso aus dem Horner Nachwuchs, wie die Brüder Baumgartner. Christoph hat sich bei der TSG Hoffenheim als Stammspieler etabliert, der ältere Dominik spielt beim RZ Pellets WAC. „Wenn bei uns der Nachwuchs trainiert, kommen sie aus der ganzen Region“, sagt Zinkel. „Die Eltern nehmen lange Autofahrten in Kauf. Der Stellenwert ist enorm.“

Doch es ist schwierig, die Rohdiamanten beim Verein zu halten. Greiml und Christoph Baumgartner wechselten schon mit 13 in die Landeshauptstadt St. Pölten, wo es eine Akademie gibt. Dominik spielte nur kurz für die Kampfmannschaft. Auch zahlungskräftige Sponsoren zu finden, ist in der landschaftlich sehr schönen, aber industriell wenig entwickelten Region schwer. „Da haben es die Vereine aus den Ballungsräumen leichter“, sagt Geschäftsführer Zinkel. „Bei uns gibt es einfach eine begrenze Anzahl an Unternehmen, die uns sponsern könnten.“ Tatsächlich ist unter den Teams der ersten beiden Ligen nur der SV Licht-Loidl Lafnitz aus einer kleineren Gemeinde. Die Oststeirer liegen dabei aber in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei größeren Orten.

Aufgeben ist für die Waldviertler aber ohnehin keine Option, ihr Weg war nie der leichteste. Im Herbst 2019 kehrte auch Thomas Kronsteiner, der 2014 aus dem Verein ausgeschieden war, wieder in den Vorstand zurück.„Ich blicke optimistisch in die Zukunft“, sagt Andreas Zinkel. Mit Alexander Schriebl hat der Verein im Oktober zudem einen Trainer geholt, der zuletzt beim SV Seekirchen in der Regionalliga West viel mit jungen Spielern gearbeitet hat. Dort hatte er trotz geringerer Mittel als die Konkurrenz großen Erfolg. Auch in Horn begann er solide: Seit seine Amtszeit am sechsten Spieltag begann, hat die Mannschaft kein Heimspiel mehr verloren. Nur in der Fremde hapert es noch. Als Zehnter geht der SV Horn ins Frühjahr, das Ziel ist der Klassenerhalt.

Auf die Karte gesetzt

Lokalderbys wird der Verein so bald nicht wieder spielen. In der Ostliga spielen schon länger keine Waldviertler Klubs mehr, sie drängen sich dafür in der Landesliga. Dass das der Fußballbegeisterung in der Region keinen Abbruch tut, sah man zuletzt im Herbst 2019 – als Stadionbesuche noch ohne Sicherheitsabstand möglich waren. Mehr als 1.000 Menschen kamen zu jedem der Derbys zwischen Schrems, Waidhofen und Zwettl in der vierthöchsten Spielklasse, obwohl keine der Mannschaften im Spitzenfeld spielte.

Der Weg des SV Horn war erfolgreicher. Mit seinem anhaltenden Erfolg hat er sich in den letzten Jahren so einen Sonderstatus im fußballbegeisterten Waldviertel erarbeitet – und sich nicht nur sportlich einen Namen gemacht. „Auch wenn ich in Tirol auf Urlaub bin, wissen die Leute, wo ich herkomme“, sagt Bürgermeister Maier. „Die Leute kennen Horn jetzt. Das wäre ohne den Fußballverein nicht möglich.“

Von Moritz Ablinger

Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.