28. Juli 2025

Lustenaus Seele im neuen Gewand
Das neue Reichshofstadion hievt so manche liebgewonnene Eigenart seines Vorgängers mit modernem Twist in die Zukunft – und springt mit seiner völlig neuen markanten Optik auch den nahen Schweizern ins Auge.
Das Herz der Lustenauer hängt am Reichshofstadion. Nicht umsonst wurden ein paar der abgebauten alten Sessel an Sitzbänken irgendwo in der Gemeinde montiert. Es war klar, dass sich ein neues Stadion dem schwierigen Drahtseilakt stellen muss, den modernen Ansprüchen eines bundesligatauglichen Stadions zu genügen und trotzdem die 74-jährige Geschichte dieses Standorts in der Schützengartenstraße zu transportieren. Mal ganz abgesehen von den heiklen baurechtlichen Auflagen was Lichtstärke und Lärmpegel betrifft. Spätestens mit Eröffnung des neuen Reichshofstadions am 19. Juli 2025 ist klar: Die 21 Millionen Euro teure Arena hat diesen schwierigen Spagat meisterhaft geschafft. Denn sie enthält viele Elemente, für die die Fans schon das alte Stadion geliebt haben.
Dorf, Kapelle und Taverne
Allen voran natürlich das Austria-Dorf, das jetzt mit sechs neuen Gastropavillons frisch aus dem Boden gestampft wurde. Seit fast 30 Jahren und der legendären ersten Bundesligazeit in den 90ern, als im Schnitt noch 9.000 Fans hierher strömten, ist es DER Treffpunkt in der Gemeinde schlechthin. Da wo einst nach jedem Heimspiel die Nacht zum Tag gemacht wurde und sogar die Spieler bis weit nach Mitternacht mitfeiern durften.
Bundesliga zum Angreifen – als Volksfest-Spektakel –, aber zum Leidwesen mancher Anrainer. Heute ist freilich bereits um 22 Uhr Sperrstunde. Doch man kann in der Taverne 1914 noch bis 2 Uhr früh einkehren. Auch die kleine mobile Hugo Kleinbrod Kapelle bekommt im neuen Austria-Dorf wieder einen Ehrenplatz – da wo sich besonders treue Fans sogar schon das Ja-Wort gegeben haben, fand bei der Eröffnung eine Festmesse statt. Im Gegensatz zu den drei neuen Tribünen wurde die alte Haupttribüne (West) in das neue Stadion integriert, lediglich die Sitzplätze sind hier neu.
Markante neue Features

Bei all diesen traditionellen Überbleibseln ist die Gesamtoptik des neuen Stadions doch eine komplett andere – ein moderner architektonischer Eyecatcher, der bis weit in die Schweiz ausstrahlt, liegt das Stadion doch direkt an der Grenze. Überhaupt ist die Lage nur 500 Meter vom Ortszentrum entfernt und direkt neben dem Rhein absolut einzigartig. Ursprünglich sogar als kompletter Holzbau geplant (brandschutztechnisch aber so nicht umsetzbar), bestehen nun in der endgültigen Ausführung die Sockel und die Flutlichttürme aus Beton und der Innenbereich hauptsächlich aus Holz. Besonders die sehr markanten Beton-Flutlichttürme wurden zu Baubeginn von vielen kritisch beäugt, verrät Vorstandsprecher und Infrastruktur-Geschäftsführer Bernd Bösch.
„Aber jetzt, wo man sieht, wie alles fertig ausschaut, kommen alle mit leuchtenden Augen aus dem Stadion. Die Begeisterung ist groß.“ Die Flutlichttürme haben neben der Optik auch einen wichtigen baurechtlichen und praktischen Nutzen, sorgen sie im Gegensatz zur sonst üblichen Stahlkonstruktion doch dafür, dass weitaus weniger Licht als früher auf die umliegenden Häuser fällt. Lässige Features sind auch die zwei neuen Videowalls am Dach und das neben dem Austria-Dorf errichtete Klubgebäude, das Austria Center, in dem jetzt die Büros, ein Fanshop und Fitnessräume integriert sind. „Das war mit 1,6 Millionen Euro unser bisher teuerstes Investment der Vereinsgeschichte.“
Grobe Erleichterung
„Die Erleichterung, dass alles fertig ist und die Vorfreude sind riesig“, strahlt Bösch, der allerdings noch vor wenigen Wochen mit seiner Austria auch noch vor dem Abstieg in die Regionalliga West zittern musste: „Das wäre brutal und für die positive Stimmung, die wir gerade durch das Stadion haben, eine Katastrophe gewesen.“ Bösch selbst kickte von 1968 weg in der Jugend des SC Austria Lustenau und war schon lange, bevor er 2019 in Lustenaus Klubführung andockte, mit dem Projekt Stadionneubau beschäftigt. 2014 noch als Sportreferent der Gemeinde, als auch noch andere Standorte außerhalb für einen Neubau geprüft wurden.
Recht schnell entpuppte sich aber der alte Standort als beste Lösung. Bei der Kapazität ging man von den ursprünglich geplanten 7.500 Plätzen auf nun 5.138 zurück: „Sonst hätten wir vermutlich mit dem Lärmpegel ein Problem bekommen.“ Dass diese Kapazität so mancher als zu klein kritisiert, kann Bösch leicht kontern: „In der Bundesliga war nur das Derby ausverkauft. Ich sage: Die Größe ist genau richtig für Austria Lustenau."
Alles begann mit den Fahrrädern
Freilich ist nun wieder eine große Aufbruchstimmung im Verein zu spüren. Ähnlich wie einst im Mai 1990, als Hubert Nagel den Verein mit seiner berühmten Verlosungsaktion wach küsste, bei der er 150 Fahrräder und fünf Autos verschenkte und somit 15.000 Lose, die auch als Eintrittskarten galten, an den Mann brachte. Freilich fast dreimal so viele, wie damals ins Stadion passten. Sollte es jemals wieder der ein solches Überinteresse an Karten geben, könnte man laut Bösch „irgendwann auch noch einen Ausbau der Westtribüne überlegen. Bis dahin brauchen wir uns darüber jetzt aber wirklich keine Gedanken machen.“
Fahrräder sind übrigens bis heute ein extrem beliebtes Anreisefahrzeug der Lustenauer Fußballfans. Die neue Radbrücke über den Rhein und die 792 modernen Fahrradabstellplätze beim neuen Stadion sollten das zur Freude der Anhänger auch in Zukunft gewährleisten. Ob noch jemand einen Drahtesel von der Verlosung 1990 fährt?
Text: Christoph König, Fotos: GEPA Pictures
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