24. Juli 2019

Lehre des Aufstiegs
Wattens hatte es tatsächlich geschafft. Auf den Schlusspfiff von Schiedsrichter René Eisner folgte ausgelassener Jubel. Trainer Thomas Silberberger stürmte auf seine Spieler zu, auch die mitgereisten Fans jubelten am Feld. Eine halbe Stunde später nahm Kapitän Ferdinand Oswald die Meistertrophäe entgegen. Mit dem 3:1 über Horn am letzten Spieltag fixierten die Tiroler in der Vorsaison den Aufstieg in die Tipico Bundesliga.
„So etwas wird nie zur Gewohnheit“, sagt Florian Mader. Der Aufstieg mit Wattens war der vierte in seiner Karriere. Davor hatte er bereits mit Wacker Innsbruck, dem SCR Altach und dem SKN St. Pölten den Sprung in die oberste Liga geschafft. Über 15 Jahre erstreckt sich seine Erfolgsgeschichte in der zweithöchsten Spielklasse mittlerweile. Patentrezept will der Routinier dennoch keines erkennen. „Jede Mannschaft ist anders“, sagt er. „Aber wenn die Dynamik im Team passt, dann kann das Berge versetzen.“
Hochdruckgebiet
Wie wichtig die soziale Komponente ist, weiß auch Karl Daxbacher. „Dafür bin ich ja bekannt“, sagt der 66-Jährige und lacht. Als Trainer ist ihm der Aufstieg schon drei Mal gelungen, er ist damit alleiniger Rekordhalter. „Man muss sich auf die Spieler einlassen“, sagt er. „Ich werde ihnen sicher nicht alles vorschreiben.“ Letztmals gelang Daxbacher der Aufstieg mit Wacker 2018. Davor war er 2016 mit St. Pölten und 2008 mit dem LASK aufgestiegen.
Dabei hatten nicht nur die Kicker immer andere Bedürfnisse, auch die Ausgangslage war unterschiedlich. War er mit den Linzern als Favorit gestartet, ging er bei den anderen beiden Titeln als Außenseiter in die Saison. „Der Druck ist dann nicht so hoch“,
sagt Daxbacher. „Das kam uns sicher zu gute.“ Auch Florian Mader kennt dieser Situation: Er war in Daxbachers Mannschaft in St. Pölten. Dass der Druck im Aufstiegsrennen entscheidend ist, glaubt er allerdings nicht. „Wir wollten aufsteigen“, erinnert sich der Tiroler an die vergangene Saison. „Als wir dann gut in die Saison gestartet sind, wurde der Druck immer größer.“ Wenn du oben mitspielst, sagt er, würden sich die Ansprüche des Umfeldes schnell steigern.
Mischverhältnis
Stattdessen sind für Mader andere Bereiche wichtig. „Wir haben nie den Kopf verloren“, sagt er. „Was auch immer passiert ist, wir haben konstant weitergearbeitet.“ Wie sehr die Wattener diese mentale Stärke brauchten, zeigte sich in der letzten Saison sehr deutlich. Lagen die Tiroler in der Winterpause sechs Punkte vor dem ersten Konkurrenten aus Ried, hatten sie den Vorsprung am 25. Spieltag zur Gänze verspielt – und lagen zwei Punkte hinter den Oberösterreichern. „Du musst auf dich schauen“, sagt Mader. So etwas sagt sich leichter, wenn man nicht zum ersten Mal um den Aufstieg spielt.
Die Experten sind sich einig, dass das Titelrennen ohne Routine überfordernd sein kann. Bei Wattens war Mader damit nicht alleine. Verteidiger Ione Cabrera, der 2011 mit dem SV Grödig aufstieg, hatte ebenso bereits wertvolle Erfahrung gemacht wie Kapitän Oswald und Verteidiger David Gugganig, der trotz seines jungen Alters schon über 100 Zweitligaspiele absolviert hat. „Wir hatten genug Spieler, die wussten, wie man ein Spiel nach Hause bringt“, sagt Mader. „Die Kaderzusammenstellung spielt eine große Rolle.“ Daxbacher unterstreicht diesen Punkt. Auch seine Mannschaften hatten auf Schlüsselpositionen immer Spieler, die sich nicht erst an die Liga gewöhnen mussten. „Natürlich muss man junge Spieler fördern“, sagt er. „Aber sie müssen sich den Startplatz verdienen.“ Wie gut dieser Mix gelingen kann, zeigte Wattens im letzten Jahr. Während die Routiniers den Ton angaben, entwickelte sich der 20-jährige Außenverteidiger Michael Svoboda zum Leistungsträger. Seine zwei Tore bei der entscheidenden Partie in Horn sprachen Bände.
Königliche Qualität
Doch nicht nur die richtige Balance zwischen Erfahrung und jugendlichem Hunger zu finden, ist Teil der Kaderplanung. Heinz Hochhauser weiß aus eigener Erfahrung, wie viel leichter es ist, Trainer einer Mannschaft zu sein, die die nötige Qualität hat. Zwei Mal ist der Oberösterreicher in seiner Trainerkarriere aufgestiegen – in einer Zeit, als der österreichische Fußball noch ganz anders aussah. Seinen ersten Titel in der 2. Liga, damals noch 2. Division, holte er in der Saison 1995/96 mit dem FC Linz, den es mittlerweile nicht mehr gibt. Im Kader war damals der Mexikaner Hugo Sanchez, der zwischen 1985 und 1992 164 Tore für Real Madrid geschossen hatte. „Wir hatten mit Jürgen Werner einen sehr umtriebigen Sportdirektor“, sagt Hochhauser. „Da muss der Trainer dann auch keine Wunderdinge vollbringen.“
Dabei war es nicht der Weltstar Sanchez, der die Linzer in der Torschützenliste anführte. Stattdessen gelang dem damals 20-jährigen Ronald Brunmayr der Durchbruch. Er schoss zwölf Tore, fünf mehr als der Mexikaner. Auch Ewald Brenner, im selben Alter wie Brunmayr, wurde unter Hochhauser zum Stammspieler. „Ohne die Jungen wären wir nicht aufgestiegen.“
Wenn‘s läuft
Doch die Kaderplanung alleine entscheidet nicht das Titelrennen. Die Spieler müssen ihre Leistung auf dem Platz noch immer selbst abrufen – und der Trainer ihnen die Anweisungen geben. Ein Idee, wie man die Spiele gewinnen kann, braucht es, da sind sich die Aufstiegsspezialisten einig. „Ich laufe nicht jedem Trend hinterher“, sagt Daxbacher. „Seit Salzburg so dominant ist, wollen viel mehr Mannschaften pressen. Aber wenn dein Kader das nicht kann, musst du dir etwas einfallen lassen.“ Also setzt Daxbacher stattdessen auf Ballbesitzfußball mit treffsicheren Stürmern und einer Viererkette zur Absicherung. Auch Hochhauser betont, wie wichtig es ist, nicht zu stark auf die anderen zu schauen. „Wir haben unser Ding durchgezogen.“, sagt er.
Wenn die Saison dann in die heiße Phase kommt, sind die Mannschaften ohnehin auf sich gestellt. Dann muss die Kombination aus den richtigen Spielern und dem passenden Trainer ihre Eigendynamik entfalten. „Es braucht den Flow“, sagt Florian Mader. „Dann gehst du in ein Spiel und bist dir sicher, du gewinnst es.“ Das beste Beispiel dafür lieferten Daxbacher und Mader zusammen in St. Pölten. Die Niederösterreicher gewannen in der Aufstiegssaison die letzten sieben Spiele. Auch das Duell gegen den ersten Konkurrenten vom LASK am drittletzten Spieltag entschieden sie für sich – vor ausverkauftem Haus in der NV Arena. „Bei solchen Serien gehört auch Glück dazu“, sagt Trainer Daxbacher. „Aber du verdienst es dir.“
Im Fluss
Wer sind nun die Mannschaften, die in dieser Saison diese Vorgaben am besten erfüllen können? Für Hochhauser ist die Antwort klar. „Dieses Jahr schaffen es die Rieder“, sagt er, der 2005 auch mit den Innviertlern den Aufstieg schaffte. „Sie arbeiten Jahr für Jahr kontinuierlich weiter. Jetzt werden sie sich belohnen.“ Auch für die anderen beiden Experten sind die Oberösterreicher der klare Favorit, festlegen wollen sie sich aber nicht. „Das ist das Schöne an der 2. Liga“, sagt Mader. „Wenn bei einer Mannschaft alles passt, dann kann sie für die Überraschung sorgen.“ Die Kaderplanung im Sommer ist der Grundstein dafür. In den kommenden Monaten wird man sehen, ob auch die Spielanlage passt. Den Rest entscheidet der Flow.
Von Moritz Ablinger
Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.