19. Feb. 2020

Legendre Zweitligamannschaften: FC Krnten 2000/2001
Wenn ein Trainer so stolz auf eine Saison ist, dass er sich im letzten Spiel selbst als Spieler bringt, muss etwas Besonderes passiert sein. Walter Schachner hatte seine Fußballschuhe längst an den Nagel gehängt. Aber in der letzten Runde traf er nach 64 Minuten die Entscheidung, sich für Bruno Friesenbichler einzuwechseln. Sein FC Kärnten kassierte zwar noch den Ausgleich von Braunau, das war dem Steirer aber herzlich wurscht. Denn der Titel war da längst fix. Und nur vier Tage später schrieb Schokos Truppe endgültig Geschichte – in dem man als Zweitligist sensationell den Cupsieg im Finale gegen den zu dieser Zeit übermächtigen FC Tirol fixierte. „Vor dieser Saison haben die Leute keinen Spieler von uns auf der Straße erkannt. Das hat sich schlagartig geändert“, berichtet Emanuel Pogatetz, der damals in einer WG mit Ersatztormann Markus Pretis in einer winzigen Wohnung in Klagenfurt hauste. „Das war uns egal, wir haben eh nur trainiert.“
Für den damals 17-Jährigen, der erst heuer seine Spielerkarriere beim LASK beendet hat, war es der Startschuss einer großen Karriere. Als jüngster Spieler der Liga jede Woche zum „Benjamin der Runde“ ausgezeichnet („Die anderen haben mich schon Benji genannt. Das hat genervt.“) hatte er bei „Schoko“ auf Anhieb ein Stammleiberl. Der gestandene Patrick Jovanovic musste sich hinter ihm anstellen. „Aber Zeljko Vukovic stand mir zur Seite. Er hat auf mich geschaut, weil zu dieser Zeit war es für einen Jungen wie mich nicht so leicht. Er hat mir fußballerisch sehr weitergeholfen.“ Zusammen mit Brnas und Vorderegger bildete das Quartett Kärntens Viererkette – damals in Österreich ein Novum. „Schoko hat sie eingeführt, zusammen mit Raumdeckung. Die Skepsis war groß.“ Die wurde nach dem 0:3 in Runde 3 gegen Titelrivale Bad Bleiberg noch größer. „Das war Wasser auf den Mühlen der Zweifler.“ Schachner blieb dabei, wie er auch fast durchgehend auf die selben Spieler baute. Der Erfolg gab ihm recht. „Die Siege haben wir aber über unsere taktische Überlegenheit geholt. Bleiberg hatte eigentlich mehr Geld und die bekannteren Spieler“ Pogatetz sieht Parallelen zum heutigen LASK, bei dem er nun als Co-Trainer der Juniors werkt: „Es war ein fortschrittliches System, das die Spieler besser gemacht hat. Wir haben viele damit überrascht und wenige Tore bekommen.“
Stipe Brnas, der Kroate, war in der Innenverteidigung der Mann mit den Ideen: „Wir haben zu ihm Professor gesagt, weil er viel hinterfragt hat. Körperlich war er top. Spielerisch vielleicht manchmal ein wenig kompliziert.“ Rechts hinten wirbelte Local-Hero Heimo Vorderegger. „Wir haben uns im Training extrem duelliert. Jeder wollte beweisen, dass er fitter ist. So haben wir uns besser gemacht“, weiß Pogatetz, der selber links außen oder zentral aufräumte. Vor der Abwehr baute Roman Stary das Spiel auf. Links flitzte Laufmaschine Thomas Höller. Als Zehner und rechts setzte man auf die technische Finesse der schlampigen Genies Almedin Hota und Christian Sablatnig: „Hota war zwischen Genie und Wahnsinn. Er hat unglaubliche Pässe geschlagen, war aber extrem sensibel. Den musste man wie ein rohes Ei behandeln.“ Doch Schachner wusste laut Pogatetz gekonnt mit diesen schwierigen Typen umzugehen. Ebenso mit Schlitzohr Roland Kollmann, der seine Truppe mit 28 Treffern zum Aufstieg bombte: „Schnell. Und ein unglaublicher Verwerter.“ Das berühmteste Tor gelang aber Mario Steiner im Cupkrimi gegen den FC Tirol – mit seinem Strich von einem Weitschuss zum 2:1-Sieg in der Verlängerung. „Oft haben wir bei dem Match ja nicht auf das Tor geschossen“, grinst „Emi“. „So ein außergewöhnliches Gefühl der Befriedigung, wie bei der Heimreise mit dem Bus, habe ich im Fußball meine ganze Karriere nie mehr empfunden.“
Dabei hätte diese Traumsaison für Pogatetz zweimal kippen können. Da, wo das später von Prohaska zum YoungStar des Jahres gekürte Talent, im Wintertraininglager fast seinen makellosen Ruf als Musterschüler einbüßte. „Die Italiener haben uns immer so wenig Essen serviert. Mein Zimmerkollege Ersatztormann Markus Pretis und ich hatten noch riesen Hunger. Ausgerechnet als ich gerade eine XL-Pizza in unser Quartier schmuggeln wollte, kam der Schoko ums Eck. Ich hab sie hinter meinem Rücken versteckt, aber der Karton schaute links und recht hervor“. Schachner zeigte sich gnädig und setzte auch dann weiterhin auf Pogatetz als sein Transfer zu Bayer Leverkusen schon feststand. Ausgerechnet bei einer überschaubaren Leistung von Pogatetz gegen Leoben saß Reiner Calmund auf der Tribüne. „Alle dachten, er hätte Roli Linz beobachtet. Doch nach dem Match rief er mich an, ich solle zum Flughafen kommen. Dort traf ich ihn mit meinem Eltern und unterschrieb gleich den Vertrag.“ Schachner war damit zwar nicht sehr happy: „Er meinte, es wäre besser mich noch ein Jahr in Österreich zu entwickeln.“ Trotzdem setzte er auch nach dem Deal im März noch immer auf Pogatetz. Knackpunkt der Saison war schon im September der 2:1 Auswärtssieg in Bleiberg. Da sah Herfried Sabitzer schon nach 44 Minuten Rot wegen einem Disput mit Kärntens Talent: „Was da gesagt wurde, will ich nicht wiederholen. Aber beim LASK habe ich erst vor kurzem seinen Sohn Thomas darauf angesprochen. Offenbar hatte ich Herfried gefoult, als das Spiel nicht mehr gelaufen ist.“ Offensichtlich steckte schon damals im „Liga-Benji“ ein kleiner Mad Dog. Und wer weiß, vielleicht wechselt sich Neo-Trainer Pogatetz ja irgendwann auch einmal wie Schoko bei einer Sternstunde ein.

Von Christoph König
Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.