12. Feb. 2021
Kommt Zeit, kommt Tor
Es sind die feinen Unterschiede. Schon bevor Milan Jurdik den Stanglpass von der rechten Strafraumgrenze schlägt, löst sich Marco Sahanek am Elfmeterpunkt aus der Deckung. Dann, als der Ball auf dem Weg zum Stürmer des FAC ist, schaut er für den Bruchteil einer Sekunde auf den gegnerischen Tormann. Einen Augenblick später erreicht der Pass Sahanek, er zieht direkt ab. Der Schuss fliegt, gegen die Laufrichtung des Tormanns, unhaltbar ins lange Eck.
Es war Sahaneks zweites Tor an diesem Sonntagvormittag. Der Treffer zum zwischenzeitlichen 2:1 gegen SK Rapid II zeigt in seinen Nuancen die Erfahrung, die Marco Sahanek mitbringt. Vor allem der Blick vor dem Abschluss ist etwas, das für junge Spieler nicht selbstverständlich ist – und auch für Sahanek nicht immer war. „Früher wollte ich einfach nur das Tor treffen“, sagt er. „Heute schaue ich mir an, was der Tormann macht.“ Diese Routine, sie scheint viel wert zu sein – vor allem für Stürmer. In der Torschützenliste liegt Sahanek auf dem dritten Rang. Öfter getroffen haben mit David Peham und Fabian Schubert nur zwei Stürmer, die wie der Wiener schon einige Erfahrung haben. Doch trotz dieser Gemeinsamkeit sind die drei Torjäger ganz unterschiedliche Typen, die auf vollkommen verschiedene Karrieren zurückblicken.
Der 15-Tore-Mann
Schubert war sich immer sicher, dass er es kann. Wo der Unterkärntner spielte, da traf er auch. Nur: Er spielte nicht oft. Der Beginn seiner Profikarriere ist beispielhaft. 2015 debütierte er mit 20 für die SV Guntamatic Ried in der Tipico Bundesliga. Schon in seinem zweiten Spiel machte er sein Premierentor und in seinem dritten brauchte er gerade einmal zwei Minuten, um nach der Einwechslung als Joker zu stechen. Doch dann entließen die Innviertler Trainer Helgi Kolvidsson und Schubert kam für die restliche Saison nicht mehr über sporadische Kurzeinsätze hinaus. Es folgte eine Saison beim SK Puntigamer Sturm Graz und eine beim TSV Prolactal Hartberg. In Graz stand er nur einmal, im Cup, in der Startaufstellung, Schubert erzielte zwei Tore. Bei den Oststeirern kamen auf vier Startelf-Einsätze ein Tor und ein Assist „Ich habe mir dann einen Verein gesucht, wo ich wusste, dass ich spielen werde“, sagt Schubert. „Das habe ich gebraucht.“ Also wechselte er im Sommer 2019 zum FC Blau Weiß Linz. Seither spielt er – und hört nicht mehr auf zu treffen. Schon in seiner ersten Saison in der Stahlstadt erzielte er in 28 Ligaspielen 15 Tore. „Wahrscheinlich hätte ich den Schritt früher machen sollen“, sagt er. „Aber für manche Entscheidungen braucht es eben eine gewisse Reife.“ In der aktuellen Saison steigerte er sich noch einmal. Er ist maßgeblich für den dritten Platz der Linzer verantwortlich. Von den 28 Toren der Blau Weißen – kein Team traf öfter – machte Schubert 15.
Und er macht sie mit beiden Füßen, der Stürmer trifft mit links und rechts. „Das hilft mir enorm“, sagt er. Das hat auch die Lustenauer Austria erfahren müssen. Am zweiten Spieltag löste sich Schubert nach 20 Minuten dank perfekter Ballannahme von seinem Gegenspieler und schob dann gefühlvoll mit seinem linken Fuß ein. In der zweiten Halbzeit trat der Stürmer dann als Elfmeterschütze an – und drosch den Ball mit rechts genau ins Kreuzeck. Blau Weiß gewann 5:2.
Sturm und Bank
Nicht ganz so gut wie in der oberösterreichischen Landeshauptstadt läuft es im Mostviertel: Es war kein Herbst nach Plan für den SKU Ertl Glas Amstetten. Erst in der neunten Runde siegte die Standfest-Elf zum ersten Mal, in der Tabelle fand man sich vor der Winterpause im unteren Mittelfeld wieder. Bei den vielen Unentschieden zu Saisonbeginn konnte sich die Mannschaft trotz guter Leistungen nicht selber belohnen. Nur einer konnte vom Start weg trotzdem zufrieden sein: David Peham. „Wir haben leider erst zum Schluss begonnen, zu punkten. Aber für mich persönlich ist es dort weitergegangen, wo es im Vorjahr aufgehört hat“, sagt der Torjäger. Elf Tore in 13 Spielen gelangen dem 28-Jährigen. Schon in den ersten beiden 2. Liga-Spielzeiten der Amstettner war der Lokalmatador äußert treffsicher. 15 Mal netzte er 2018/19, 19 Mal im Vorjahr.
Kein Wunder, dass Peham immer wieder in der Bundesliga Thema ist, trotzdem verlängerte er erst im Sommer bis 2022. „Natürlich habe ich diesen Traum, Bundesliga zu spielen. Aber ich weiß auch, was ich in Amstetten habe“, analysiert er nüchtern. Ganz so, wie er es im Brotberuf als Bankangestellter macht. 30 Stunden die Woche. „Mein Arbeitsplatz ist einen halben Kilometer von meinem Wohnhaus entfernt, der Fußballplatz von Amstetten keine 20 Minuten – und ich fühle mich beim Verein sehr wohl. Damit ich das alles aufgebe, braucht es ein richtig gutes Angebot.“ Zumal er aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es ist, im Profigeschäft Fuß zu fassen. Nach der Akademiezeit war er zwei Jahre bei den Admira Juniors, wechselte dann in die vierte Liga zu Gaflenz, ehe er über Vorwärts Steyr in Amstetten landete. „Ich habe die Matura nachgemacht und dann bei Raiffeisen zu arbeiten begonnen“, erzählt er. Erst die Arbeit ließ ihn zu dem Stürmer reifen, der er heute ist. „Mir hat auch geholfen, dass mich Jochen Fallmann vom Flügelspieler zur Speerspitze machte. Aber noch entscheidender war der Job. Ich denke nicht mehr 24 Stunden am Tag an Fußball und habe auch andere Aufgaben im Leben. Das hilft am Platz.“ Wenn Peham so weitertrifft, wird es die trefferreichste Saison seiner Karriere. „Ich hoffe natürlich, dass es so weitergeht. Aber noch mehr, dass es für uns gut läuft und wir im Frühjahr mehr punkten.“
Zeichen der Zeit
Auch für Sahanek könnte es, an den Toren gemessen, die erfolgreichste Saison seiner Karriere werden. Mit seinen zehn Toren hat er bereits jetzt seinen persönlichen Saisonrekord eingestellt. Dabei ist der 30-Jährige lange im Geschäft. Daran erinnert schon ein Blick auf die Eckdaten bei seinem ersten Debüt in der 2. Liga, die damals noch Red Zac Erste Liga hieß. Beim ASK Schwadorf spielte er damals, FC Kärnten hieß der Gegner. Vier Minuten dauerte es, bis der damals 17-Jährige in Erscheinung trat. Nachdem er in der 86. Minute eingewechselt worden war, vollendete er in der 90. einen Sololauf zum 2:0-Endstand. Beide Vereine gibt es nicht mehr.
Doch seit jenem Augusttag im Sommer 2007 hat sich nicht nur der österreichische Fußball grundlegend verändert, auch Sahaneks Karriere ist um einige Wendungen reicher. Mit dem FC Flyeralarm Admira und Kapfenberger SV spielte er in der Bundesliga, mit dem SV Horn stieß er bis ins Halbfinale des ÖFB-Cups vor und für den maltesischen Hibernians FC lief er sogar in der Champions-League-Qualifiktion auf. Die Anzahl an Saisontoren schwankte seither zwar von Jahr zu Jahr, aber Sahanek zerbricht sich deswegen nicht mehr den Kopf. „Ich weiß auch, dass zum Toreschießen Glück gehört“, sagt er. „Es sind Zentimeter, die entscheiden, ob ein Ball an die Stange oder ins Netz geht.“
Aus Fehlern lernen
Sahanek zeichnet aber nicht nur seine Routine aus. Anders als Peham und Schubert ist er kein klassischer Stürmer, sondern läuft auf verschiedenen Positionen ein. Alleine heuer spielte er bereits als Zehner und linker sowie rechter Flügelspieler. Seine Torgefahr entwickelt er dabei nicht über die Physis, sondern sein feines Fußerl. „Ich habe Vertrauen in meine technischen Fähigkeiten“, sagt er. „Ich will die Dinge spielerisch lösen.“
Schubert, Peham und Sahanek wollen ihren Mannschaften aber nicht nur mit ihren Toren helfen. Die Routine hilft nicht nur beim Abschluss. Sie wollen sie auch nutzen, um junge Mannschaftskollegen zu unterstützen. „Eigentlich bin ja kein Routinier“, sagt Schubert und lacht. „Aber ich bin einer der Älteren bei uns, da muss ich voran gehen.“ Die Erfahrungen, die er in seiner Karriere schon gemacht hat, will er weitergeben.
Auch Sahanek schaut seinen jüngeren Mitspielern genau auf die Beine – und wünscht sich, dass sie manchmal Fehler machen. Denn dazu würde es automatisch kommen, wenn sie Dinge probieren würden und nicht die einfachste Lösung suchen. Doch davon dürfe sich kein Kicker verunsichern lassen. Auch er selbst habe früher viele Fehler gemacht „Erst mit der Zeit habe ich gelernt, wie man sie vermeidet“, sagt er. „Das dauert einfach ein bisschen.“
Von Peter K. Wagner & Moritz Ablinger
Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.