22. Feb. 2023

"Kleine" Wiener auf dem Vormarsch
Sechs Teams aus Wien- so viele wie seit 38 Jahren nicht mehr- sind in beiden Profiligen Österreichs vertreten. Mit dem FAC, der Vienna sowie den zweiten Mannschaften von Rapid und Austria sind es gleich vier in der ADMIRAL 2.Liga. Was unterscheidet die Klubs in ihrer Philosophie und welche Ziele haben Sie? Wir haben nachgefragt.
Wien, Wien, nur du allein ...“ Es gab Zeiten, wo die Bundeshauptstadt den Ton im heimischen Fußball angab. So etwa in der Saison 1983/84. SK Rapid Wien wurde vor FK Austria Wien Meister, in der 2. Liga stieg die Vienna ins Oberhaus auf. In der darauffolgenden Saison waren - Sportclub und Favoritner AC dazugezählt – fünf Wiener Klubs in der ersten und mit dem 1. Simmeringer SC einer in der zweiten Spielklasse vertreten. Eine gewaltige Marke. Mit der Zeit flachte die Dominanz kontinuierlich ab, die Konkurrenz aus den Bundesländern wurde immer stärker. Auch die Dichte an starken Wiener Klubs wurde von Jahr zu Jahr dünner. So gab es etwa Zeiten, wo nur Rapid und Austria in den Profiligen vertreten waren. Immer wieder durchlebte so mancher Traditionsklub sportliche Tiefschläge, die meist in einem finanziellen Desaster geendet hatten (z. B. Sportklub-Pleite 1994, FavAC-Konkurs 1997, Simmering-Insolvenz 2013). Mittlerweile aber hat die Bundeshauptstadt wieder mehr Zugkraft.
Neben Rapid und Austria in der ADMIRAL Bundesliga werken in der aktuellen Saison der ADMIRAL 2. Liga vier Wiener Klubs mit. Die Ziele und Ansprüche sind unterschiedlich. Dennoch freut man sich auf die kleinen Wiener Derbys, wie FAC-Geschäftsführer Sport Lukas Fischer erläutert: „Für den Wiener Fußball ist es eine super Geschichte, dass der Floridsdorfer AC und First Vienna FC zwei Derbys in der Saison spielen dürfen.“
FAC: Vom Abstiegskamp ins Meisterrennen

Der Floridsdorfer AC hat eine imposante Entwicklung hingelegt. Jahrelang stand der Abstiegskampf am Programm, ehe man in der Vorsaison mit dem Vizemeistertitel überrascht hat. Eine Eintagsfliege? Fehlanzeige! Der FAC spielt weiterhin vorne mit. Mit einem Punkt Vorsprung auf die Vienna reiht man sich als Nummer 3 Wiens ein: „Wir haben schon das ein oder andere Jahr vorgelegt. Das muss uns die Wiener Konkurrenz erst nachmachen“, zeigt sich Lukas Fischer, Geschäftsführer Sport, überzeugt. Doch woher kommt der plötzliche Aufwind? „Es war immer meine Mission, den FAC trotz des knappen Budgets sportlich weiterzuentwickeln“, verrät Fischer. Einerseits konnte man von der Einführung des neuen 2. Liga-Formats profitieren, andererseits konnte „mit zwei jungen Trainern die letzte Baustelle bereinigt werden.“ Doch auch die Urgesteine Becirovic und Bubalovic „heben das Niveau der Mannschaft durch ihre Erfahrung und geben den Jungen Stabilität.“
Ein junger Weg
Junge Spieler spielen in der Philosophie eine große Rolle. 2022 haben die Floridsdorfer mit den Punktemannschaften die Herbstmeisterschaft in der Wiener Jugend-Gesamtwertung erreicht. Fischer freut sich: „Das zeigt, dass unser Nachwuchs sehr gut passt.“ Ein Vorteil ist der große Zulauf, den Wiener Vereine genießen. Dieser ermöglicht es, dass man „auf Qualität schauen kann und nicht auf Masse gehen muss.“ Das Zugpferd bleibt jedoch die Kampfmannschaft. Der FAC hat es sich auferlegt, mit jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs zu bestehen: „Wir haben die Anforderung an uns selbst, unsere Amateure wie eine Jugendmannschaft zu nutzen und die Spieler auszubilden.“ Im Sommer konnte mit dem 18-jährigen Oluwaseun Adewumi ein junges Talent hochgezogen werden, das seine ersten 2. Liga-Einsätze verzeichnen konnte. Mit 17 Jahren feierte er gegen Dornbirn sein Startelfdebüt. „Das ist unser Weg, unsere Philosophie“, freut sich Fischer, der die Nachwuchsförderung auch aus wirtschaftlicher Sicht beurteilt: „Die eigenen Talente sollen gefördert und gepusht werden, damit sie es über uns in den Profifußball schaffen.“
Auf gesunden Beinen den Bundesliga-Traum verwirklichen

Trotz der finanziell geringen Möglichkeiten möchten sich die Floridsdorfer nach oben orientieren. Der Fast-Aufstieg der Vorsaison hebt den Verein hinsichtlich des sportlichen Denkens „in andere Sphären“, verrät uns Fischer, der sich dennoch vorsichtig zeigt: „Wir können uns immer nur Schuhe anziehen, die uns auch passen.“ Der Aufstieg in die ADMIRAL Bundesliga bleibt das langfristige Ziel. Mit der Neuaufstellung der Geschäftsführung im Sommer konnten wesentliche Schritte gesetzt werden: Sportdirektor Lukas Fischer hat die Rolle des Geschäftsführers Sport übernommen, Stefan Krainz ist zum Geschäftsführer Wirtschaft aufgestiegen. Doch auch infrastrukturell muss sich der Verein für das große Ziel entwickeln. Denn der FAC-Platz ist im Gegensatz zum Verein (noch) nicht bundesligatauglich. Ein temporäres Umziehen ist im Falle eines Aufstiegs unausweichlich. „Es gibt Gespräche mit der Stadt Wien und konkrete Ideen unsererseits“, stellt Fischer einen möglichen Stadionneubau in Aussicht. Dennoch ist man als Verein ob der großen Auflagen nur „Beifahrer“, wodurch die Planung erschwert wird.
"Vienna 2026"
Schauplatzwechsel auf die knapp 4,7 Autokilometer entfernte Hohe Warte, der Heimat des First Vienna FC, dem ältesten Fußballklub Österreichs. Nach dem Zwangsabstieg in die 2. Wiener Liga und der Fast-Insolvenz 2017 haben die Döblinger – auch dank des Hauptsponsors UNIQA - wieder Zugkraft. Die Hinrunde der ADMIRAL 2. Liga beendeten die Döblinger auf Platz sechs. Mit dem Projekt „Vienna 2026“ soll die stufenweise Rückkehr in die Bundesliga verwirklicht werden. „Wir geben nicht vor, österreichischer Meister werden zu wollen. Das wäre unseriös. Die Vienna hat einen Stufenplan, der für wirtschaftliche Stabilität als Grundlage für nachhaltigen Erfolg steht. Der Verein soll gesund wachsen“, so Präsident Kurt Swoboda, der bei der UNIQA als Finanz- und Risikovorstand tätig ist. „Wir sehen uns als Ausbildungsverein. Wir haben das klare Ziel, dass die Vienna erfolgreich Fußball spielt, aber das auch mit jungen Talenten tut“, ergänzt der seit der Winterpause neue Sportdirektor und Ex-ÖFB Teamkapitän Andreas Ivanschitz. Möglich macht diese ambitionierten Ziele auch das finanzielle Engagement von Vizepräsident Roland Schmid, dem Gründer und Eigentümer des Immobilien-Dienstleisters IMMOunited.
Blau-gelber Campus mit 300 Nachwuchskickern
Herzstück ist der Vienna-Campus, das neue Nachwuchszentrum in der Spielmanngasse keine zehn Gehminuten von der Hohen Warte entfernt. 8,5 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Die Endausbaustufe sieht vier Plätze (derzeit drei) plus ein Funktionsgebäude vor. Über beachtliche 300 Nachwuchsspieler verfügt der Verein jetzt schon. „Worauf wir besonders stolz sind: Wir haben eine komplette Frauen-und Herrenabteilung. Von der U7 bis zur U18 haben wir bei den Burschen 11 Mannschaften, bei den Mädchen vier. Alles in einer strukturierten Wochenplanung bei drei Kunstrasenplätzen. Wir haben einen Rhythmus gefunden, wo alle eine tolle Ausbildung und gute Trainingsmöglichkeiten bekommen. Die Wertschätzung für unseren Campus ist in der gesamten Stadt sichtbar. Das hat den Verein weitergebracht“, so Ivanschitz. Er ist der festen Überzeugung, dass die Vienna Vereinen wie Rapid und Austria irgendwann einmal nahekommen kann.
Was für den 39-Jährigen die Faszination des Klubs aus Döbling ausmacht? „Für mich ist die Vienna ein Verein, der natürlich eine Historie hat, aber sich trotzdem neu entwickeln möchte. Der Verein will sein eigenes Buch neu schreiben und zurück an die Spitze. Die Sympathie, die der Verein in der Öffentlichkeit hat, führt dazu, dass viele Fans sagen, dass sie gerne auf die Hohe Warte kommen, auch, wenn sie ein bisschen Rapid- oder Austria-Fans sind. Das ist für mich was Besonderes und das kann in den nächsten Jahren eine unglaubliche Kraft und Stärke des Vereins sein.“
Die jungen Wilden aus Hütteldorf und vom Verteilerkreis

Während der FAC und die Vienna eine eigene Philosophie verfolgen, sind die Amateurteams SK Rapid II und Young Violets Austria Wien in eine Gesamtphilosophie eingegliedert. Willi Schuldes, sportlicher Leiter von SK Rapid II, erklärt: „SK Rapid II ist die letzte Station in der Entwicklung zum Profifußballer, in der die Spieler schulisch oder beruflich und fußballerisch noch in Ausbildung sind.“ Die jungen Hütteldorfer sollen auf ihrer Position den letzten Schritt machen, um sich in der Kampfmannschaft nur noch an die Rahmenbedingungen gewöhnen zu müssen. Schuldes lässt uns am Mannschaftsziel teilhaben: „Wir wollen die Liga halten, weil sie für die 2. Mannschaft optimal ist und so viele Spieler wie möglich so ausbilden, dass sie in die Kampfmannschaft kommen und dort sofort performen.“
Einen ähnlichen Weg haben die Young Violets Austria Wien eingeschlagen. Mit dem Aufstieg in die 2. Liga im Sommer 2018 hat man es geschafft, junge Talente auf höchstmöglicher Ebene nach der Bundesliga fördern zu können. Das Ziel sieht dabei wie jenes der grün-weißen Konkurrenz aus: Die Liga halten und so das junge Eigengewächs an die Kampfmannschaft heranführen. Das Ergebnis aus der letzten Saison kann sich sehen lassen: Zwölf junge Talente des SK Rapid Wien und sieben von FK Austria Wien haben ihr Bundesliga-Debüt gefeiert.