29. März 2022

Herbst der berraschungen
Text: Peter K. Wagner & Moritz Ablinger
Es ist schwierig zu sagen, wann der Floridsdorfer AC das letzte Mal so einen guten Herbst gespielt hat. Vielleicht ist es fast 70 Jahre her. Damals, 1954 in der Staatsliga B, hatten die Wiener in der Winterpause noch alle Möglichkeiten auf den direkten Wiederaufstieg in die Staatsliga A. Doch in der Rückrunde lief es nicht ganz so gut, am Ende wurde der Meister von 1918 Vierter. Statt dem Hauptstadtklub stieg Sturm Graz auf, aus der Rückkehr nach ganz oben wurde nichts mehr.
Vielleicht ist der weite Rückgriff etwas übertrieben. Die Floridsdorfer, die sich danach im Unterhaus etablierten, spielten seit den 1950-er Jahren natürlich einige gute Saisonen. Doch seit der Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse 2014 fand sich das Team meistens in der zweiten Tabellenhälfte wieder. Nun ist der FAC Dritter, hat die beste Defensive der Liga – und noch lange nicht genug. „Der Herbst war wunderschön“, sagt Manager Lukas Fischer. „Die Leistung macht uns richtig stolz.“
Der Wiener Aufwärtstrend begann dabei nicht erst mit dieser Spielzeit. Als im April Mitja Mörec und Alexander Gitsov den Trainerposten annahmen, ging es fast schlagartig bergauf. Vom 14. Platz verbesserte sich die Mannschaft bis zu Saisonende noch auf den neunten, von den letzten sieben Partien gewann sie vier. Doch anstatt sich damit zufrieden zu geben, wollte der Klub im Sommer noch einen weiteren Schritt nach vorne machen. „Wir wollten nicht mit jeder Trainerverpflichtung eine neue Spielphilosophie“, sagt Fischer. „Also haben wir ein Profil erarbeitet, wie wir spielen wollen. Und welche Spieler wir dafür brauchen.“ Der Plan ging auf, die Transfers im Sommer schlugen vollen ein.
» Wir wollen nicht größenwahnsinnig werden, aber wir werden um die Lizenz ansuchen. Das sind wir nach solchen Leistungen unseren Spielern schuldig.«
Lukas Fischer, FAC-Manger
Da kam zum Beispiel Patrick Puchegger vom SKU Ertl-Glas Amstetten als Ersatz für Innenverteidiger Tin Plavotic. Der hatte sich mit seinen Leistungen zur SV Ried in die ADMIRAL Bundesliga gespielt. Das neue sportliche Konzept sah vor, ihn durch einen technisch-beschlagenen Linksfuß zu ersetzen, der obendrein kopfballstark sein sollte. Ganz oben auf der Liste stand damit Puchegger. Nur hatte der in Amstetten nicht in der Abwehrzentrale, sondern Linksverteidiger gespielt. „Wir haben uns gedacht, dass das trotzdem funktionieren könnte“, sagt Fischer. „Und Puchi war von dem Vorschlag zwar überrascht, hat sich aber glücklicherweise schnell überzeugen lassen.“ Heute ist der Niederösterreicher in der Innenverteidigung gesetzt, hat im Herbst drei Tore erzielt und fragt sich, wie der Manager erzählt, warum er nicht schon früher die Position gewechselt hat.
Wie gut die neue Strategie am Transfermarkt aufgegangen ist, zeigen auch andere Neuverpflichtungen. Stürmer Joao Oliveira und Mittelfeldspieler Daniel Rechberger wurden auf Anhieb zu Stammkräften. Auch Linksverteidiger Jan Gassmann ist auf seiner Position gesetzt, gemeinsam mit Puchegger, Kapitän Mirnes Becirovic und Christian Bubalovic formt er eine Abwehr, die im Herbst nur elf Gegentore bekommen hat. Untätig war der Klub im Winter trotzdem nicht. Mit Marcus Maier kam ein Spieler, der mit der Admira in der Bundesliga kickte, und mit Deniz Pehlivan, einer, der im Nachwuchs des FSV Mainz ausgebildet wurde.
Kein Größenwahnsinn
Zufrieden geben wollen sich die Floridsdorfer mit ihrem sensationellen Herbst also noch nicht. Die ausgegebenen Ziele, nicht in den Abstiegskampf zu geraten und mehr Punkte als im Vorjahr zu erreichen, sind de-facto nur noch Formsache. Zehn Zähler fehlen dem Team noch auf die 41 aus dem Vorjahr. „Wir wollen nicht größenwahnsinnig werden“, sagt Fischer. „Aber wir werden um die Lizenz ansuchen. Das sind wir nach solchen Leistungen unseren Spielern schuldig.“
Doch auch unabhängig davon, ob die Floridsdorfer wirklich noch ins Aufstiegsrennen einsteigen, sie zeigen, dass mit ihrem Konzept auch auf lange Sicht mit ihnen zu rechnen sein wird. Für Manager Fischer, der 31 ist und den Job im Alter von 27 angetreten hat, ist der Erfolg der Mannschaft deswegen auch eine Genugtuung. Er rechtfertigt das Vertrauen, das ihm die Funktionäre schenken – und die vielen Arbeitsstunden, die das kleine Betreuerteam in den letzten Jahren in die Entwicklung des Klubs und der Mannschaft steckte. „Sicher sind wir ein Überraschungsteam“, sagt Fischer. „Aber wir haben auch alles dafür getan, so zu performen. Es ist schön, dass sich das bezahlt macht.“
» Wir haben verdient viele Punkte gesammelt, es war zwar überraschend, aber am Ende des Tages auch verdient, weil die Art und Weise sehr anspruchsvoll war. «
Jochen Fallmann, Trainer SKU Amstetten
Auch 150 Kilometer westlich von Floridsdorf lief es bei einem Klub im Herbst besser als erwartet. Der SKU Ertl-Glas Amstetten fand nach einer schwierigen Saison schnell zurück in die Erfolgsspur. „Wir wollten vor allem Stabilität reinbringen“, resümiert Trainer Jochen Fallmann, der im Sommer in seine zweite Amtszeit bei den Niederösterreichern ging. „Wir haben uns bei der Zielsetzung auf einen einstelligen Tabellenplatz geeinigt, weil der mit der Mannschaft realistisch war“. Doch es lief noch besser. Trotz des überraschenden Abgangs des langjährigen Goalgetters David Peham, den Fallmann während seines ersten Aufenthalts in Amstetten vom Flügel in die Mitte zog und damit zur Torexplosion verhalf, kam die Mannschaft in „einen guten Flow“. „Wir haben verdient viele Punkte gesammelt, es war zwar überraschend, aber am Ende des Tages auch verdient, weil die Art und Weise sehr anspruchsvoll war.“
Mehr Stabilität
Die Erfolgsfaktoren dafür, dass vor der Winterpause als Vierter nur acht Punkte auf den groß aufspielenden Spitzenreiter aus Lustenau fehlten, sind zahlreich. Das Fundament war eine wieder erstarkte Defensive. In der Saison 2020/21, die Amstetten als Zwölfter abschloss, hatte man noch 61 Gegentore erhalten. „So viele Tore kannst du gar nicht schießen“, meint Fallmann mit einem Lächeln und verweist auf Peter Tschernegg und Arne Ammerer. „Die beiden haben im zentralen Mittelfeld nach vorne und hinten mehr Stabilität gebracht.“
Auch die Mentalität stimmte in der Mannschaft, Amstetten gilt seit dem Aufstieg in die 2. Liga als besonders familiäres Pflaster mit gutem Zusammenhalt, eine Tugend, der man sich diesen Herbst wieder besann. Und dann machte man auch noch am Transfermarkt einiges richtig. Vor allem in der Offensive wurde man durch unterschiedliche Spielertypen variabler. 35 Tore standen schließlich auf der Habenseite, nur Liefering (ebenfalls 35) und Lustenau (38) konnten da ligaweit mithalten. Als Glücksgriffe erwiesen sich der 202-Zentimeter-Mann John Frederiksen sowie Thomas Mayer und Stefan Feiertag. Frederiksen war den Mostviertlern bereits im vergangenen Winter angeboten worden, doch es kam vorerst zu keinem Transfer. Fallmann war von den Fähigkeiten des Färingers aber nach zwei Videobeobachtungen angetan und wollte ihn kennenlernen. „Als er für ein Kennenlernen bei uns war, bekam ich schnell das Gefühl, das könnte funktionieren.“
Offensivpower
Eigentlich war Frederiksen als Sturmpartner neben Peham angedacht, doch nach dessen Übersiedelung zum GAK kam es anders – und vielleicht sogar besser. „Einen David Peham kann man nicht ersetzen, wir wussten, dass Thomas Mayer viel Qualität hat, aber kein richtiger Stürmer ist.“ Also musste noch ein Stürmer her, den man im 20-jährigen Stefan Feiertag von der Wiener Austria fand. „Feiertag kenne ich bereits von der Akademie in St. Pölten. Es war natürlich überragend, dass er gleich voll eingeschlagen hat, Tore erzielen konnte und die Offensive im Gesamten so gut zusammenspielte.“ Sechs Tore erzielte Feiertag, Frederiksen traf viermal ins Schwarze, Mayer glänze mit sechs Vorlagen – doch der Topscorer war ein anderer neuer Offensivspieler, der gerade gegen Ende der Hinrunde seine Qualitäten zeigte: Philipp Schellnegger.
Anfangs noch als Rechtsverteidiger im Einsatz, weil dort zwei Spieler verletzungsbedingt ausfielen, rückte der 24-jährige Steirer ab dem siebten Spieltag weiter vor. Und brachte das Kunststück zusammen, zwischen 10. und 16. Runde sechs Tore und drei Vorlagen zum Amstettner Erfolgslauf beizutragen. Der Weizer war seit seinem Wechsel zum GAK 2019 schnell eine Bundesligazukunft vorausgesagt worden, die Karriere erhielt am Ende seiner Zeit bei den Roten aber einen kleinen Knick. In Amstetten ist er jetzt wieder voll da. „Es war für mich das erste Mal weg von zuhause und daher eine Umstellung, aber ich hab‘ mit Fortdauer des Herbstes immer besser reingefunden“, sagt Schellnegger. „Gerade als Offensivspieler beginnt man nachzudenken, wenn es nicht läuft, aber ich hab‘ an mir gearbeitet und konnte wieder meine Leistung bringen.“ Dass er sich in Amstetten wohlfühlt, liegt auch am familiären Umfeld. „Alle arbeiten hier mit Herzblut“, sagt er. Fürs Frühjahr nimmt er sich vor allem vor, die Leistungen zu bestätigen. „Wir haben viel Qualität, vielleicht können wir sogar noch eines drauflegen.“