09. März 2022

Eine neue Heimat
Es war einmal ein 16-jähriger Bub, der nur eines wollte: Fußball spielen. Täglich fuhr er von der Bundesbetreuungsstelle für Asylwerber in Traiskirchen zum Training nach Wien. Zwei Wochen freute er sich, in Österreich vielleicht die Chance zu erhalten, Profi zu werden. Doch dann kommt ein Anruf. Er dürfe nicht mehr spielen.
Der 16-jährige Bub von damals ist mittlerweile 24, heißt Levan Eloshvili und steht gerade am Kapfenberger Hauptplatz. Sein Lächeln, das die letzten Minuten seit unserer Begegnung nahezu dauerhaft präsent war, weicht einer ernsteren Miene, als er sich an den Anruf von damals erinnert. „Ich habe geweint, als es geheißen hat, dass ich nicht mehr spielen darf“, sagt er. „Ich dachte mir, sie wollen mich nicht.“ Es dauert nicht lange, bis sich KSV Ankerbrot Monte Laa bei ihm meldet. Der kleine Fußballklub aus dem Wiener Gemeindebezirk Favoriten nimmt Kontakt mit Levans altem Verein Saburtalo Tiflis auf, besorgt seine Papiere – und schon darf er wieder das tun, was er am liebsten macht und auch richtig gut kann: kicken.
Weil sein Vater krank ist, erhält die Familie bald das Angebot, in Bruck in eine Unterbringung für Asylwerber zu ziehen. Er will beim Fußballverein in Bruck vorspielen, sein Vater gibt ihm aber den Tipp, dass in Kapfenberg sogar ein Profiverein zuhause ist. Also setzt sich Leo aufs Rad und fährt los. Er weiß zu überzeugen und wird Teil des Falkenhorst. Die Jahre ziehen ins Land und langsam wird aus dem talentierten Jugendspieler, der auch nach dem Training noch stundenlang am öffentlichen Kickplatz trickst, ein professioneller Fußballer. Mit 19 Jahren feiert er sein Debüt in der 2. Liga. Zur selben Zeit spielt er auch für Georgiens U21. Mittlerweile hat er über 100 Zweitligaspiele in den Beinen, ist zeitweise Kapitän, die personifizierte gute Laune im Team und hat den besten Herbst seiner Karriere hinter sich. Vier Tore und drei Vorlagen – solche Werte hatte er bisher nur am Ende einer Saison.
Doch den größten Sieg feierte er abseits des Rasens, fünf Jahre nach seiner Ankunft in Österreich – in einem Wiener Gerichtssaal. Damals erhielten die Eloshvilis den Aufenthaltstitel – Österreich ist seitdem auch rechtlich abgesichert seine neue Heimat. Und Kapfenberg im Besonderen. „Ich bin hier zuhause“, sagt er.