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11. Aug. 2021

Der 12. Mann ist wieder da

Gregor Buchhammer bringt es auf den Punkt: „Fußball ohne Fans, das ist nix. Bei Geisterspielen ist es zwar einmal ganz lustig, wenn man Trainer und Spieler schreien hört, aber das kann man mit einem vollen Stadion nicht vergleichen.“ Der Tiroler ist eingefleischter Fan von Wacker Innsbruck und Mitglied des erst kürzlich gegründeten Fanclubs „Wacker Inventar“. Derzeit zählt man 15 Mitglieder. Die Coronapause sei für alle sehr hart gewesen. „Wir konnten in der ersten Zeit nur über unsere WhatsApp-Gruppe und Zoom kommunizieren. Das war bitter.“ Erst Monate später – nach den ersten Lockerungen – traf man sich zu einer privaten Grillfeier. Denn gerade Wacker brauche die Fans auf der legendären Nordtribüne wie einen Bissen Brot. „Ich bin überzeugt, dass wir im Herbst weitaus mehr Punkte gemacht hätten, hätte man Fans im Stadion zugelassen.“ Nimmt man die Statistik seit 2016/17 her, so hatte Wacker vor Corona einen Punkteschnitt bei Heimspielen von 1,85, seit Corona ging dieser auf 1,63 zurück.

Den 30. Juli, wenn Wacker in der 2. Runde Kapfenberg empfängt und so seine Saison-Heimpremiere feiert, hat Buchhammer schon dick und fett im Kalender eingetragen. „Wir werden uns vor dem Spiel gemeinsam in einem Lokal auf die Partie einstimmen, die Vorfreude ist riesig, das Stadion wird mit Sicherheit brennen. Wir werden uns die Seele aus dem Leib schreien.“

„Ein echter Wacker-Fan steht immer auf“

Wenn Buchhammer von der Faszination Wacker Innsbruck spricht, meint er vor allem eines: Tradition. „Die schwarz-grünen Vereinsfarben, die kann uns keiner nehmen.“ Besonders hervorzuheben sei der Zusammenhalt unter den Fans auf der Nordtribüne. „Jeder kennt hier fast jeden, das erzeugt ein unglaubliches Gefühl von Zusammenhalt.“ Dieses Gefühl sei auch nach Niederlagen spürbar, wie zum Beispiel nach dem bitteren Saisonfinale in der Vorsaison, wo Wacker den Sprung in die Relegation knapp verpasste. „Das war natürlich schmerzhaft. Aber: Ein echter Wacker-Fan steht nach Niederlagen immer wieder auf.“ Buchhammer geht mit seinen Innsbruckern durch dick und dünn und scheut auch keine Kosten und Mühen. So nahm er im vergangenen Sommer sogar die lange Auswärtsfahrt (1001 km hin und retour) nach Schrems zum ÖFB-Cupspiel von Wacker in der 1. Runde – in Zeiten, wo es Corona-Lockerungen gab - auf sich. Auch während der EM feuerte er das Nationalteam gegen die Niederlande in Amsterdam und gegen die Ukraine in Bukarest vor Ort an. „Ich muss ja für den Saisonstart von Wacker stimmungsmäßig wieder fit sein“, schmunzelt Buchhammer.

„Die Fans geben dir die Kraft!“

Nicht weniger sehnen sich die Spieler nach dem Comeback der Schlachtenbummler. „Endlich sind wieder Fans im Stadion. Das freut mich total, das hat extrem gefehlt“, sagt Wacker- Kapitän Lukas Hupfauf. „Gerade als wir acht Spiele in Serie gewonnen haben, ist uns das besonders abgegangen. Denn es gibt nichts Schöneres, als nach Schlusspiff den Erfolg mit den Anhängern zu feiern. Dass wir dann ausgerechnet im letzten entscheidenden Spiel, wo wieder Fans dabei waren, einen so schlechten Tag erwischt haben, schmerzt doppelt.“ Lukas selber stand schon als kleiner Bub im Tivoli auf der Fantribüne und jubelte Marcel Schreter und Co. zu. „Für einen Tiroler Bua ist das alternativlos. Da bist du Wacker-Fan. Die Nordtribüne ist einfach außergewöhnlich.“ Und die Stimmung sei oft der entscheidende Faktor: „Die Fans können das Ganze in engen Situationen auf eine Seite lenken.“ Das findet auch Eric Orie, der frischgebackene Dornbirn-Trainer. Gerade sein Klub hatte mit der Situation besonders zu kämpfen. Man war das heimschwächste Team und holte nicht einmal halb so viele Punkte wie auswärts. „Die Fans machen einen großen Unterschied. Außerdem leben gerade die kleinen Klubs von den Einnahmen – vor allem bei den Derbys.“ Auf Vorarlberg-Derbys gegen Dornbirn freut sich Austria Lustenau-Urgestein Pius Grabher schon ganz besonders. Auch er war wie Hupfauf schon als Kind Fan seines Klubs: „Unser harter Fankern ist definitiv bundesligatauglich. Die Anhänger haben uns vor zwei Jahren ins Cupfinale getragen. Ohne Zuschauer – das ist nicht der Fußball, den wir lieben.“ Gerade wenn es in einem Spiel Spitz auf Knopf geht, sind die Fans besonders wichtig: „Sie geben dir die Kraft, dieses eine Prozent mehr rauszukitzeln. Es sind diese Kleinigkeiten, die dich zurück ins Spiel bringen.“

„Kommen in altes Wohnzimmer zurück“

Auch bei Andreas Reiter, einer der treuesten Fans von Blau Weiß Linz und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft TOR („Tribüne ohne Rassismus“), ist die Vorfreude auf den Saisonstart groß. Endlich sei die 18-monatige Leidenszeit ohne Stadionbesuch vorbei. „Schade, dass wir den Meistertitel in der Vorsaison nicht gemeinsam mit den Spielern feiern konnten. Das war schon frustrierend“, berichtet Reiter. Er ist von Kindesbeinen an ein leidenschaftlicher Stadionbesucher, Fußball vor dem TV reize ihn nicht besonders. „Ein Stadionbesuch ist so etwas wie eine psychosoziale Tankstelle. Es geht nicht nur um Fußball, sondern um das Gemeinschaftliche, um den Zusammenhalt. Dieses Gefühl, diese Emotionen kann dir ein TV-Spiel nie geben.“ Bei der Heimpremiere am 23. Juli (Linz empfängt in der 1. Runde Dornbirn) wird er natürlich live im Hofmann Personal Stadion sein. „Wir Fans müssen uns komplett neu orientieren, denn wir kommen in unser altes Wohnzimmer zurück“, sagt Reiter, der auch aktiv an der Stadionzeitung mitarbeitet.

Interessantes spuckt die Statistik aus: Anders als in der ADMIRAL Bundesliga ist in der 2. Liga trotz fehlender Fans der Anteil an Heimsiegen leicht gestiegen. Bis zur Coronapause in der Saison 2019/20 lag der Anteil an Heimsiegen bei 35 % (1,32 Punkte/Spiel), nach der Coronapause stieg er auf 41 % (1,44 Punkte/Spiel). In der Saison 2020/21 lag er bei 40 % (1,41 Punkte/Spiel). Am meisten an Heimpunkten zulegen konnte Meister BW Linz. Vor Corona lag der Schnitt bei 1,07 Punkten, ab Corona bei satten 2,11 Punkten. Aber: Einen Rückgang an Heimpunkten verzeichneten gleich neun  Mannschaften. Besonders getroffen hat es Steyr (von 1,29 auf 0,85 Punkte/Spiel) und Lustenau (von 1,48 auf 1,05). Offenbar konnten die Teams also unterschiedlich gut mit der ungewohnten Situation umgehen.

„Der Effekt von Fans ist enorm“

Wofür der Sportpsychologe Jörg Zeringer eine wissenschaftliche Erklärung parat hat: „Der Effekt von Fans ist enorm. Motivationszentren im Gehirn korrespondieren mit den Emotionszentren.“ Dabei könne man sich die Emotionalität als ein offenes System vorstellen: „Das heißt, was andere emotional erleben, kann ich auch erleben. Emotionen sind ansteckend, sowohl die positiven als auch die negativen.“ Der berühmte Funke, der überspringt, ist also real. Und: Die Stimmung von den Rängen wirkt sich natürlich auch auf das Auswärtsteam aus: „Wenn du in einem fremden Stadion ausgebuht wirst, ist das wie eine angezogene Handbremse. Es gelingt oft nur sehr reifen Sportlern, das in positive Energie umzumünzen.“ Kurzum: Fans machen den Unterschied aus. Was Spieler und Anhänger schon lange spüren, lässt sich auch durch statistische und wissenschaftliche Fakten ganz klar belegen.

Text: Franz Hollauf & Christoph König

Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.