03. Apr. 2019

Aus Liebe zum Fuball
Nur die unregelmäßigen Geräusche der Waschmaschine unterbrechen das Gespräch mit Djura Gacesa. Ansonsten ist der Zeugwart des SC Wiener Neustadt an diesem Dienstagvormittag alleine am Stadiongelände. Erst am Nachmittag trainieren die Profis, Gacesa aber ist jetzt schon da. Er hat das Trainingsgewand, die „Wäsch“ für seine Spieler, schon vorbereitet. Auf dem Tisch im Zimmer des Zeugwarts, knappe 30 m2 groß, hat Gacesa Obst und Kuchen aufgetischt, damit die Mannschaft etwas zum Essen hat. „Das ist ein ganz normaler Vormittag für mich“, sagt er. „Wenn wir um 14:30 Uhr trainieren, bin ich spätestens um sieben in der Früh da.“
Ohne Menschen wie Djura Gacesa geht es einfach nicht. Die Zeugwarte, die hinter den Kulissen arbeiten, sorgen in erster Linie dafür, dass die Spieler nur mit Toiletttasche zu Spielen und Trainings kommen können. Um alles andere kümmert sich in Wiener Neustadt Gacesa. Meistens aber sind die Zeugwarte noch mehr: Sie sind Teil des Mannschaftsgefüges, eine Ansprechperson für Trainer und Spieler und gehören zum Inventar des Vereins. Man könnte fast sagen, sie sind das Rückgrat vieler Vereine der HPYBET 2. Liga.
Der Pendler Bauer
Beim SV Horn heißt dieses Rückgrat Leopold Bauer, von allen nur „Jack“ genannt. Seit 1990 ist Bauer bei den Waldviertlern, seit seiner Pensionierung 1993 verbringt er fast jeden Tag mit dem Team. Weil er in Horn mittlerweile Sektionsleiter ist, sind seine Aufgaben mit der Ausgabe der Dressen an die Spieler nicht getan: Bauer meldet Neuverpflichtungen dem Verband, macht Testspiele mit den potenziellen Gegnern aus und koordiniert die Anspielzeiten im Ligaalltag. „Und wenn einem Spieler etwas wehtut, dann schau ich, dass er zum Arzt geht“, sagt Bauer.
Im Winter ist Bauers Engagement noch einmal aufwendiger. Weil der SV Horn über keine Kunstrasenplätze verfügt, trainieren die Waldviertler am Wiener Polizeisportplatz in Kaisermühlen. Nachdem eine Kollegin in Horn die Wäsche wäscht, packt Bauer sie ein und bringt sie in die Hauptstadt. „Sicherheitshalber nehme ich immer ein paar Sätze mehr mit“, sagt der Sektionsleiter. „manchmal kommen die Testspieler ja schon einen Tag früher als angekündigt.“ Nach dem Training geht es für Jack Bauer dann samt durchgeschwitztem Trainingsgewand der Spieler wieder zurück ins Waldviertel, dort werden die Garnituren wieder gewaschen. Eine Stunde braucht er pro Strecke. „Antreiben tut mich die Leidenschaft für den Fußball.“
„Die Mannschaft ist immer das Wichtigste“, sagt Gacesa. „Ich will wie ein Papa für sie sein.“
Der Geruch des Fußballs
Das ist bei Djura Gacesa nicht anders. Seit 1976 arbeitet der Wiener, der in Belgrad geboren wurde, als Zeugwart. Angefangen hat er damals bei Rapid Oberlaa. Über den Favoritner AC und den SV Schwechat kam er vor acht Jahren nach Wiener Neustadt. „Die Mannschaft ist immer das Wichtigste“, sagt er. „Ich will wie ein Papa für sie sein.“ Wenn Spieler Probleme haben, können sie ihren Zeugwart immer anrufen, sagt er. Noch heute hat er mit ehemaligen Profis oder Funktionären Kontakt. Mit seinem ehemaligen Sportdirektor Günter Kreissl telefoniert er fast jede Woche, zum aktuellen Trainer Gerhard Fellner hat er ein ausgezeichnetes Verhältnis.
Für Gacesa ist es die zwischenmenschliche Nähe, die seinen Job und den Fußball generell ausmachen. „Wir sind keine große Adresse und können den Spielern hier keinen Luxus bieten“, sagt Gacesa. „Aber um das geht es ja nicht. Sie sollen sich bei uns einfach wohlfühlen.“ Der Zeugwart will auch gar nicht erst den Anschein erwecken, dass in Wiener Neustadt alles glänzt. Das Trainingsgewand ist zusammengelegt, aber nicht penibel genau eingeordnet. Auf seinem Tisch im Eck des Zimmers stehen ein paar Flaschen, Zeitungen liegen herum. „Sicher könnte ich die Dressen alle ganz genau Bug auf Bug falten“, sagt er. „Aber der Fußball ist ja nichts Steriles. Er muss riechen.“
Nachtschicht in Neustadt
Das gehört auch beim SV Horn dazu. Die Waldviertler stiegen 2012 erstmals in die zweithöchste Spielklasse auf, davor pendelten sie zwischen Regional- und Landesliga. Auch das Stadion, die Waldviertler Volksbank Arena, hat sich seit Bauers Dienstantritt stark verändert. Seit dem letzten Umbau vor sieben Jahren bietet die Anlage 4.000 Menschen Platz. Für Bauer bedeutete der Aufstieg vor allem mehr Arbeit. „Wir trainieren öfter, im Nachwuchs tut sich mehr und die Auswärtsfahrten werden weiter“, sagt er. „Aber ich genieße das.“ Denn auch Jack Bauer ist ganz nah an der Mannschaft und ihrem Trainer. Übungsleiter wie Karl Daxbacher, Christoph Westerthaler, Carsten Jancker und nun Kurt Jusits lernte er so genauso gut kennen, wie die sportlichen Aushängeschilder Ivan Ljubic oder Siegfried Rasswalder. „Das sind in der Bundesliga richtige Namen“, sagt der Sektionsleiter. „Wenn dir Fußball taugt, dann ist es leiwand, mit solchen Menschen zusammenzuarbeiten.“
„Wir sind keine große Adresse und können den Spielern hier keinen Luxus bieten“, sagt Gacesa. „Aber um das geht es ja nicht. Sie sollen sich bei uns einfach wohlfühlen.“
Dennoch: Zeugwart sein ist viel mehr als Schmähführen, es ist harte Arbeit. „Die Leute müssen wissen, was wir für eine Hack‘n haben“, sagt Djura Gacesa. „Nach manchen Auswärtsspielen kommen wir mitten in der Nacht zurück ins Stadion. Dann müssen wir Wäsche waschen, damit die Jungs am nächsten Tag trainieren können.“ Im Normalfall fährt Gacesa, gemeinsam mit seiner Frau Sonja ein paar Stunden vor der Mannschaft zu den Spielen und bereitet die Kabine vor. Das heißt: Dressen aufhängen, Schuhe zum richtigen Platz stellen und Getränke vorbereiten. In bis zu 18 Metallkisten – einen knappen Meter hoch und eineinhalb lang – transportiert er das Equipment zum Spielort. Und nach den Matches wieder zurück. Wenn es ganz stressig ist, kommt es sogar vor, dass der Zeugwart am Platz schläft. Hinter dem Haus, in dem Waschmaschinen stehen und Gacesa sein Zimmer hat, hat er sich eine kleine Hütte mit einem Bett gebaut.
„Du brauchst für den Job viel Idealismus und musst ein bisschen wahnsinnig sein.“
Für das große Geld macht Gacesa seine Arbeit nicht, auf die Wertschätzung kommt es an. „Du brauchst für den Job viel Idealismus und musst ein bisschen wahnsinnig sein“, sagt der Wiener, der in Schwechat lebt. „Aber wenn du dann auf der Trainerbank sitzt, weißt du, dass du dazugehörst.“ Denn während der Spiele nimmt Gacesa am Spielfeldrand Platz, der Sitz ganz außen ist immer seiner.
Die Liebe zum Spiel
Gacesa, der seit acht Jahren seinen Stammplatz auf der Neustädter Trainerbank hat, und Bauer, der in den letzten 30 Jahren kaum ein Spiel des SV Horn versäumt hat, sind ein fixer Bestandteil der Vereine, bei denen sie arbeiten. Sie bleiben länger als Spieler und Trainer, auch in der Geschäftsstelle ist die Fluktuation oft höher. „Mir kann niemand was über den Verein sagen“, sagt Zeugwart Djura Gacesa. „Ich kenne ihn in- und auswendig.“
Ohne Menschen wie Gacesa oder Leopold „Jack“ Bauer würde der Fußball anders aussehen und er würde nicht so reibungslos ablaufen. Es sind nicht Ruhm oder hohe Gehälter, die sie motivieren, sondern die Liebe zum Spiel. Diese ausleben zu dürfen, ist ihnen genug. „Meine Tage schauen oft gleich aus: Ich stehe auf, bringe meinen Enkel in die Schule, trinke einen Kaffee und dann fahr‘ ich auf den Fußballplatz“, sagt Sektionsleiter Bauer. „Das ist doch ein Traum.“
„Meine Tage schauen oft gleich aus: Ich stehe auf, bringe meinen Enkel in die Schule, trinke einen Kaffee und dann fahr‘ ich auf den Fußballplatz“, sagt Sektionsleiter Bauer. „Das ist doch ein Traum.“
Von Peter K. Wagner
Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.