09. März 2022

Aus dem Dornrschenschlaf erwacht
Text: Christoph König & Franz Hollauf
1.299 - eine unfassbare Zahl! So viele Punkte hat Austria Lustenau in der 2. Liga (Stand: Winterpause) bereits erobert. Nur noch ein Verein liegt in der Ewigen Tabelle vor den Vorarlbergern (DSV Leoben: 1481). Die Lust, die Steirer in dieser Statistik zu überholen, hält sich aber in Grenzen. Denn nach 22 Saisonen hintereinander in der zweiten Spielklasse ist das so lange anvisierte Ziel, der Aufstieg in die ADMIRAL Bundesliga, endlich zum Greifen nah. „Der Verein ist erwacht“, erklärt Vorstandssprecher Bernd Bösch den Dornröschenschlaf für beendet. Zeit wird‘s! „Wir haben vorher so viele Jahre das Ziel Aufstieg ausgegeben und so lange vom neuen Stadion gesprochen, bis kaum jemand mehr daran geglaubt hat. Diese Saison spielen wir wegen der schwachen letzten Saison seit dem Saisonstart ohne großen Druck und zu hohe Erwartungen aus dem Umfeld und endlich könnte es klappen. Das gibt dem Verein einen großen Auftrieb.“ Der schlafende Riese –
immerhin gilt die Austria für viele, wenn auch nicht für alle, Vorarlberger als der Ländle-Klub mit dem größten Fan-Potenzial scheint endlich erwacht. „Die Stimmung erinnert an frühere Zeiten. Die Euphorie ist groß – und auch das Selbstbewusstsein. Jetzt haben viele das Gefühl, es könnte wieder so werden wie damals.“ Damals, Ende der 90er, schoss man den Vorarlberger Fußball aber erstmals nach 20 Jahren wieder auf die Bundesliga-Landkarte.
Neues Stadion kommt endlich
Und es gibt noch einen großen Unterschied zur glorreichen ersten Blütezeit. Das Reichshofstadion hat demnächst ausgedient. Schon ab Sommer 2024 soll ein neues und von den Baumaterialien und Abfallkonzept besonders nachhaltiges Stadion stehen. Mit dem Beschluss des Landes, die Hälfte der Kosten (8,5 Mio Euro) zu übernehmen, scheint der Knoten geplatzt. Erbringt der Klub bis März den Nachweis für den Neubau, kann er bis zur Fertigstellung noch im alten Stadion spielen. Dieses muss aber in vielen Bereichen bundesligatauglich gemacht werden: Stärkeres Flutlicht, TV-Türme, überdachter Gästesektor, Medienräume sind nur ein paar der Verbesserungen, die nun rasch installiert werden müssen. Manche der Adaptionen, wie die Videoüberwachung, können auch für das neue Stadion genutzt werden.
„Die sportlichen Erfolge haben uns in Bezug auf den Neubau und auch auf politischer Ebene viel geholfen“, freut sich Bösch. Die Zeit nach dem unrühmlichen Ende der Ära Hubert Nagel im Jänner 2019 war keine leichte, gesteht er: „Das war ein Bruch, der dem ganzen Verein weh getan hat. Aber die Situation hat sich inzwischen beruhigt und wir sind geschlossener als damals.“ Auch sportlich wirkt man gefestigt: „Aber wir halten den Ball flach, einfach aus unseren Erfahrungen heraus und im Wissen, dass es noch 14 Spiele sind.“ Selbst im Aufstiegsfall will man sich nicht übernehmen: „Wir werden zu den Vereinen mit den geringsten Budgets gehören.“ Bei der nächsten Hauptversammlung soll die 25-prozentige Beteiligung von Core Sports Capital an der Austria Lustenau GmbH abgesegnet werden.
Die Puzzlesteine zum Erfolg
Die erfolgreiche Kooperation mit Core Sports Capital bzw. Clermont Foot wird auf allen Ebenen im Verein fortgesetzt und weiter intensiviert. Egal, ob beide Klubs nächste Saison erst- oder zweitklassig spielen. Schaffen die Franzosen in der Ligue 1 den Klassenerhalt und Austria Lustenau den Aufstieg, wäre das ideal. „Dann sind wir für gute Spieler noch attraktiver“, weiß Bösch. Die starken Leihspieler waren ein Grund für den bärenstarken Herbst. Eine wichtige Rolle spielt dabei der erst 28-jährige Sportkoordinator Alex Schneider. Wie erklärt er den unglaublichen Leistungssprung im Vergleich zur enttäuschenden Vorsaison?
„Es liegt einerseits an der Qualität,
die wir durch Spieler wie zum Beispiel Mohammed Cham, Jean Hugonet oder Michael Cheukoua dazugewonnen haben. Das hat auch den Spielern, die schon da waren, mehr Schwung gebracht. Matthias Maak und Pius Grabher sind diese Saison auf und neben dem Platz noch wichtigere Stützen mit Top-Leistungen. Brandon Baiye hat noch einmal einen Schritt gemacht, Haris Tabakovic als Goalgetter eine noch bessere Quote, weil er mehr gute Bälle bekommt.“ Und andererseits? „Am Flow und Spielglück. Die ersten drei Runden gegen GAK, Liefering und Lafnitz hätten anders laufen können. So kam man mit drei Siegen aber gleich in eine positive Grundstimmung. Enge Spiele sind auf unsere Seite gekippt, wir haben das Selbstvertrauen bekommen, Spiele zu drehen. Dazu durften wieder Fans ins Stadion – die gute Stimmung hat uns zu einer tollen Heimbilanz gepusht. Außerdem wird auf allen Ebenen der Vereinsführung ruhig und konzentriert gearbeitet.“ Ein wichtiges Puzzlestück ist auch Neo-Trainer Markus Mader. Erstmals setzte Lustenau im Profigeschäft auf einen Vorarlberger Trainer. Schneider: „Er kennt halt alle hier in der Region und die Mentalität. Und er hat eine Art, die der Mannschaft entgegenkommt, die ihr viel Eigenverantwortung gibt.“
Wer schielt noch nach oben?
Wer sind für Schneider die größten Rivalen im Aufstiegskampf? „Der FAC ist tabellarisch am nähesten dran. Amstetten war brutal konstant in der zweiten Hälfte der Hinrunde. Insgesamt ist alles sehr ausgeglichen. Bis Platz 9 schauen alle nach oben. Blau Weiß Linz macht einen guten Job. Und dahinter hast du mit GAK, Wacker Innsbruck und St. Pölten drei Klubs, die sehr hohe Qualität haben. Unsere Ausgangssituation ist super, aber eine Saison entscheidet sich nicht in der Hinrunde.“ Die Innsbrucker wollen mit neuer Klubführung und Neo-Coach Michael Oenning zwar angreifen, rechnen sich aber keine realistischen Chancen mehr aus.
St. Pölten hat was aufzuholen
Weit hinter den eigenen Ansprüchen war im Herbst der spusu SKN St. Pölten. Trotz hochkarätigen Neuverpflichtungen im Sommer hieß es für den Bundesliga-Absteiger zunächst sogar Abstiegs- statt Aufstiegskampf. Die Niederösterreicher legten einen Katastrophenstart hin, den ersten Punkt gab es erst in Runde 3, den ersten Sieg in Runde 6. Nach zehn Runden waren die Wölfe nur an der vorletzten Stelle. Erst zum Herbstausklang kam die Truppe mit Trainer Stephan Helm besser auf Touren, blieb in den letzten vier Runden ohne Niederlage, für mehr als für Platz 9 (17 Punkte Rückstand auf Platz eins) reichte es aber nicht mehr. „Nach einem Abstieg ist es ganz klar, dass man als Verein eine gewisse Zeit braucht, um sich wieder zu sammeln und neu auszurichten. Hinzu kam, dass mit dem neuen Trainerteam ein neues System eingeführt wurde, das vonseiten der Mannschaft erst einmal soweit verinnerlicht werden musste, ehe sich die Erfolge einstellten“, nennt der seit Jänner neue SKN-Geschäftsführer Jan Schlaudraff die Gründe für den Stotter-Herbst. Panik brach in der niederösterreichischen Landeshauptstadt aber deshalb nicht aus. Am Trainerduo Helm/Pogatetz wurde festgehalten. Schlaudraff: „Mittlerweile merkt man schon, dass die Rädchen beginnen, ineinander zu greifen und eine gewisse Stabilität im Spielsystem vorherrscht“ Gemeinsam mit dem Trainerteam wolle man eine Mannschaft formen, „die unsere Art von Fußball repräsentiert und diese Spielidee in jeder Phase des Spiels auf dem Platz zeigt“. Für zusätzliche Power auf dem Rasen wurden mit dem 21-jährigen französischen Offensivmann Kévin Monzialo vom FC Lugano ein weiterer Neuzugang fürs Wolfsrudel verpflichtet. Stammtorhüter Christoph Riegler hingegen verließ nach elf Jahren den Klub Richtung Altach.
Weiter intensiviert haben die Wölfe die Kooperation mit dem deutschen Bundesligisten Wolfsburg. So wurde in der deutschen Autostadt im Jänner ein mehrtägiges Trainingslager abgehalten. „Letztendlich geht es bei der Kooperation darum, die Qualität der Spieler zu steigern, aber auch in anderen Bereichen – wie Sponsoring, Marketing und Kommunikation - einen Mehrwert für den Verein zu schaffen und das Optimum für uns herauszuholen“, so Schlaudraff. Derzeit sind mit Ulysses Llanez, Lino Kasten und Yunsang Hong drei Wolfsburger Teil des SKN-Kaders.
Sportlich ebenfalls etwas aufzuholen hat der GAK (Platz 7 und 14 Punkte Rückstand auf Platz eins). In der Winterpause wurde mit dem Kärntner Gernot Messner (41) ein neuer Trainer verpflichtet, der eine neue Ära bei den Grazern einleiten soll.