25. Feb. 2021

Als Magic und Scharner Texas rockten
In Texas wurden keine Gefangenen gemacht. Texas, das war damals Untersiebenbrunn. Der Spitzname rührt noch aus alten Zeiten, als hier nach manchem Match die Fäuste flogen. Beim Höhenflug des SC Interwetten in der Saison 2001/02 wurden die Gegner freilich sportlich ausgeknockt – und das Blut floss nur noch tröpfchenweise abseits des Rasens. Denn Trainer Norbert Barasits hatte mit Dr. Gerhard Kölndorfer als einer der ersten im österreichischen Fußball Creatinkinasetests eingeführt. 3000 Schilling im Monat – heutzutage nichts – war damals ein für einen Dorfklub unübliches Investment, das „Schotterbaron“ und Präsident Werner Magyer dafür springen ließ. Mit den CK-Werten konnte Barisits die Belastung seiner Kicker steuern. So kam es vor, dass am Tag vor dem Match drei Spieler locker Gymnastik machten, während drei andere ein hartes Zirkeltraining einlegten. Nicht nur sport-medizinisch war der Klub Vorreiter: Flexible Systeme und simulierte Spielsituationen standen statt verstaubten Routinen am Trainingsplan. „Die Spieler hatten einen sagenhaften Willen, Neues zu lernen“, schwärmt Barisits. Einer davon, Christoph Freund, der heute als Salzburg-Sportdirektor sein strategisches Geschick beweist.
Zauberer Aigner & Querkopf Scharner
Im Gegensatz zur SC Interwetten Star-Elf, die danach mit Stöger, Mählich oder Schießwald am Feld und Heli Kraft und Heri Weber auf der Trainerbank unter den hohen Erwartungen blieb, wuchs Barisits‘ Truppe damals über sich hinaus. Man biss sich nach dem Aufstieg aus der Regionalliga 1998 als fixe Größe in den Top-4 der 2. Liga fest und brachte im Cup 2002 ausgerechnet Kooperationspartner Austria mit 3:2 zu Fall, ehe man daheim erst im Elferschießen 9:10 am späteren Pokalsieger GAK scheiterte.
„Wir hatten keine großen Einzelspieler, sondern ein starkes Kollektiv. Und einen Farbtupfer.“ Markus „Magic“ Aigner. Der Bayer, der mit seiner langen Mähne und Flip Flops jesusgleich durch die Kabine schlapfte, war der Einzige, der als Freigeist von jeder Defensivarbeit befreit war. Er dankte es mit 13 Toren in dieser Saison – vier davon im Cup. Dabei war „Magic“ Aigner, der 2002 mit einer Zweitliga-Auswahl den Hallencup gewann, als schwieriger Charakter verschrien, wurde 2003 vom SC Interwetten suspendiert und zuvor beim FC Kärnten aussortiert. „Sie haben gesagt, wir bringen ihn euch sogar mit dem Auto vorbei.“
Doch Barasits hatte ein Händchen für besondere Typen. Auch Paul Scharner blühte in Untersiebenbrunn erstmals auf, ehe er ein halbes Jahr später schon im Nationalteam kickte. „Die Austria sagte, wir sind froh, wenn du ihn nimmst. Ich fand ihn nie schwierig. Klar, man musste ihm seine Freiheiten lassen. Aber er war für die Mannschaft sehr wertvoll. “ Nach Scharners starkem Herbst holte die Austria ihren Leihspieler zurück und setzte ihn ausgerechnet in jenem Cupspiel nicht ein, in dem man gegen Untersiebenbrunn verlor. „Sie haben uns sicher unterschätzt. Für uns war es das Spiel des Jahres.“
Der Kampfgeist besiegt Krebs
Großen Anteil am Erfolg hatte auch Attila Sekerlioglu, der damals aus Schottland gekommen auch Betreueraufgaben übernahm. Dazu kamen hungrige Leihspieler wie Kovacevic, Krajic oder Luttenberger, verlässliche Größen wie Briza, Schandl oder Hacker und Mister Ruhepol im Tor, „Marchfeld-Safar“ Markus Endress. „Das Marchfeld steht für harte Arbeit – das haben wir verkörpert“, weiß Barisits. 2017 wurde bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert. Ein halbes Jahr Chemo ehe überhaupt eine Operation möglich war, die Hälfte einer Niere entfernt und plötzlich konnte Barisits nicht mehr schreiben, man fand vier Metastasen im Kopf. Er kämpfte sich durch und machte daneben seinen Doktor in Philosophie. „Ich hoffe, dass ich damit andere inspiriere.“ Fighterqualitäten, die damals auch seinen SC Interwetten Untersiebenbrunn von Sieg zu Sieg trugen.
Von Christoph König
Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.