Linzer Zweijahresplan

23. July 2021 in 2. Liga Nach dem Meistertitel in der Vorsaison musste Blau-Weiß Linz zahlreiche Abgänge hinnehmen. Doch der Klub hat einen längerfristigen Plan – und einen neuen Trainer, der ihn verwirklichen soll.

Ein letztes Mal bläst Schiedsrichter Florian Jandl in seine Pfeife, dann ist es fix: Mit dem 1:1 gegen den FC Liefering ist der FC Blau-Weiß Linz Meister der 2. Liga. Am Feld fallen sich die Spieler um den Hals, von der Seitenlinie stürmen ihre Kollegen auf sie zu. Auch Sportdirektor Tino Wawra ist schon während des Schlusspfiffes am Platz. Sie alle feiern den größten Erfolg der Vereinsgeschichte.

Als sich der Trubel etwas gelegt hat, beginnt die Krönung. Noch bevor die Linzer mit dem Meisterschild jubeln können, werden die Protagonisten der Saison geehrt. Zunächst erhält Fabian Schubert dank seiner 33 Tore nicht nur die Auszeichnung als erfolgreichster Torschütze, sondern auch die als bester Spieler. Danach bekommt Ronny Brunmayr die Trophäe als Trainer des Jahres überreicht. Seine Spieler tragen ihn danach auf Händen über den Rasen in der Red-Bull-Arena. Immer wieder werfen sie ihn in die Luft.

Glasners Schüler

Kaum zwei Monate sind seit diesem sonnigen Nachmittag im Mai vergangen. Doch bei den Blau-Weißen hat sich viel getan. Schubert zog es in die Schweizer Super League, er stürmt jetzt für den FC St. Gallen. Innenverteidiger Felix Strauss wechselte zum CASHPOINT SCR Altach. Auch Abwehrchef Nicolas Wimmer und Sechser Turgay Gemicibasi gingen in die ADMIRAL Bundesliga, sie spielen jetzt für Aufsteiger Austria Klagenfurt. Und auch der Mann, der im Mai noch durch die Salzburger Luft flog, ist weg. Ronny Brunmayr heuerte als Co-Trainer von Oliver Glasner bei der Frankfurter Eintracht an. „So ein Umbruch kann auch helfen“, sagt Gerald Scheiblehner. „Alle wissen, dass wir Zeit brauchen. Die Erwartungshaltung bleibt realistisch.“

Scheiblehner ist seit Juni Brunmayrs Nachfolger als Cheftrainer der Blau-Weißen. Er ist ein alter Bekannter, im doppelten Sinne. Mit sechs Jahren begann er beim SK VÖEST mit dem Fußball und durchlief alle Nachwuchsstationen beim Linzer Werksklub, dessen Nachfolger Blau-Weiß heute ist. Der 44-Jährige kennt aber nicht nur die Geschichte des Vereins, auch mit Brunmayr hat er schon zusammengearbeitet. Scheiblehner war ab Sommer 2019 Cheftrainer beim FC Juniors OÖ, Brunmayr für ein halbes Jahr sein Assistent. „Wir haben beide die Spielphilosophie von Oliver Glasner kennengelernt“, sagt Scheiblehner. „Wir wollen ähnlich Fußball spielen.“ Das heißt: Auch Scheiblehner setzt auf hohe Intensität und Laufbereitschaft, hohes Pressing und schnelles Umschalten. Der ähnliche Ansatz sei der Hauptgrund für seine Verpflichtung gewesen, sagt Scheiblehner.

Umsetzen sollen diese spielerischen Ideen Kicker, die jung sind, aber trotzdem Routine haben. Vom SV Horn holten die Linzer Linksverteidiger Simon Pirkl, der schon 114-mal in der 2. Liga gespielt hat. Von der WSG Tirol kam Julian Gölles, der zwar erst 21 Jahre alt ist, aber in der Vorsaison schon Einsatzminuten in der Bundesliga sammelte. Und von Absteiger spusu SKN St. Pölten kam Manuel Maranda. Der 24-Jährige war nicht nur Stammspieler bei den Niederösterreichern, sondern spielte davor auch schon mit Wacker Innsbruck erstklassig.

Alt und Neu

Ganz neu muss Scheiblehner das Rad nicht erfinden. Denn trotz der namhaften Abgänge sind einige Leistungsträger erhalten geblieben. Der defensive Mittelfeldspieler Michael Brandner geht in seine dritte Saison für die Blau-Weißen, er wird die Mannschaft in der kommenden Saison als Kapitän aufs Feld führen. Auch Stefano Surdanovic, der als Spielmacher und Mittelstürmer eingesetzt werden kann, blieb in der oberösterreichischen Landeshauptstadt. „Die Aufgabe ist es, jetzt eine Mannschaft zu formen, die funktioniert“, sagt Scheiblehner. „Das wird eine Zeit dauern.“

Wie wichtig es sein kann, sich dabei nicht hetzen zu lassen, haben die Linzer gerade erst gemerkt. Auch der Kern der Meistermannschaft spielte ein Jahr im Tabellenmittelfeld, ehe der große Wurf gelang. Stressen lassen will sich bei Blau-Weiß ohnehin niemand. „Das Ziel ist, dass wir 2022/23 voll ins Aufstiegsrennen einsteigen“, sagt der Trainer. Denn auch heuer wollen die Linzer noch nicht um die Lizenz für die Bundesliga ansuchen.

Davor soll sich nicht nur die Mannschaft finden, sondern vor allem die neue, alte Spielstätte entstehen. Seit dem Frühjahr trägt Blau-Weiß seine Heimspiele im Hofmann-Personal-Stadion im Süden der Stadt aus, das Quartier ist allerdings nur provisorisch. Denn im Herbst beginnen die Arbeiten am Neubau des Donauparks, direkt am Fluss, dort wo der Verein nach 1997 seine ersten Spiele austrug. Die Fertigstellung ist für 2023 geplant, das Stadion erfüllt dann die Kriterien der höchsten Spielklasse.

Dennoch hat für Scheiblehner die kommende Saison große Bedeutung. Er hat sich mit der Mannschaft hohe Ziele gesetzt. Ein Platz unter den ersten Sechs in der kommenden Saison der ADMIRAL 2. Liga ist der Anspruch, die neuen Spieler sollen integriert und der Kader auf den Zweijahresplan eingeschworen werden. Und wie viel eine gute Saison bewirken kann, erfährt der Trainer gerade am eigenen Leib. „Der Meistertitel sorgt noch immer für eine totale Euphorie“, sagt er. „Du kommst ins Büro oder in die Kabine und du merkst sofort, wie gut die Stimmung ist. Das wollen wir ausnutzen.“

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