Als Ulysses Ilanez in der 87. Minute aus 16 Metern abzieht, setzt er den Schlusspunkt. Der Schuss, der im linken, unteren Eck einschlägt, entscheidet die Partie zwischen dem spusu SKN St. Pölten und SK Rapid II, die Niederösterreicher gewinnen 1:0. Es ist zugleich auch das letzte von 387 Toren, die in einer abwechslungsreichen Herbstsaison in der 2. Liga gefallen sind, mehr als drei pro Spiel sind das im Durchschnitt.
Die Treffer brachten einige Überraschungen mit sich. Bundesliga-Absteiger St. Pölten findet sich ebenso wenig wie Wacker Innsbruck im Spitzenfeld wieder, sie liegen nur im Tabellenmittelfeld. Dafür zeigten der FAC Wien und der SKU Ertl-Glas Amstetten auf. Beide im Vorjahr nur Nachzügler, belegen sie nun auf Platz drei und vier der Tabelle. Von ganz oben – nach einer durchwachsenen Vorsaison unerwartet – lacht die Lustenauer Austria. Drei Punkte liegt sie vor dem ersten Verfolger aus Liefering, sie hat im Rennen um den Aufstieg alle Trümpfe in der Hand. Druck wollen sich die Vorarlberger aber keinen machen.
Drive im Mostviertel
Es ist lange her, dass der SKU Amstetten so gut da stand wie aktuell. Am 2. August 2019 waren die Niederösterreicher Tabellenführer der 2. Liga, seither sind sie nicht mehr in jenen Tabellenregionen unterwegs gewesen, in denen sie sich in diesem Herbst etabliert haben. Und das, trotz eines beachtlichen Umbruchs im Sommer. Goalgetter David Peham ging zum GAK, Kapitän Matthias Wurm kehrte dem Profifußball den Rücken – und dann kam auch noch ein neuer, alter Trainer. Jochen Fallmann hatte die Mostviertler schon in der Saison 2019/20 trainiert. „Wir können mit so einer Hinrunde nur zufrieden sein“, sagt er. „Uns ist schon sehr viel aufgegangen.“
Aufgegangen sind auf jeden Fall die Transfers. Die zwei besten Torschützen, Philipp Schellnegger und Stefan Feiertag, kamen vom GAK bzw. der Wiener Austria, auch der färöische Mittelstürmer John Frederiksen hat voll eingeschlagen. Die Offensive, mit 35 Toren die zweitbeste der Liga, organisiert nach wie vor Alin Roman. Sie profitieren davon, dass die Mannschaft kaum Ausfälle zu verzeichnen hatte. „Wenn alle an Bord sind, kriegt man schnell einen tollen Drive“, sagt er. „Wir haben eine super Stimmung im Team.“ Ob man die Ziele für die Saison nach oben schrauben wird, will der Trainer also auch nicht allein bestimmen. Das werde man im Wintertrainingslager gemeinsam besprechen.
Floridsdorfer Festung
Auch der FAC will sich noch nicht ganz festlegen. Ein einstelliger Tabellenplatz soll es werden, für die Floridsdorfer sind die aktuellen Leistungen fast eine noch größere Überraschung. Seit dem Aufstieg 2014 waren sie beinahe ausnahmslos im hinteren Tabellendrittel zuhause. „Manchmal denke ich mir, dass es schade ist, dass wir jetzt in die Winterpause gehen“, sagt Trainer Mitja Mörec. „Wir waren zuletzt so gut unterwegs.“ Seit Mörec im Frühjahr gemeinsam mit Aleksandar Gitsov die Mannschaft übernahm, ist der Aufwärtstrend fast ungebremst. 14. war sie im April, als Mörec und Gitsov ihre Arbeit antraten. Jetzt liegt sie sieben Punkte hinter dem Tabellenführer.
Prunkstück der Mannschaft ist die Defensive. Nur elf Gegentore erhielt sie in den ersten fünfzehn Partien. Hauptverantwortlich dafür sind vier Routiniers. Der 30-jährige Christian Bubalovic spielt seit 2017 bei den Floridsdorfern, Patrick Puchegger kam erst im Sommer, hat aber auch schon 86 Zweitligaspiele in den Beinen. Flankiert werden sie von Kapitän Mirnes Becirovic, der als rechter Außendecker gesetzt ist, und Jan Gassmann auf der linken Seite. 15 der 16 Meisterschaftspartien im Herbst bestritt der FAC mit dieser Abwehr. „Wir werden versuchen, oben Anschluss zu halten“, sagt Trainer Mörec. „Aber wir müssen auf dem Boden bleiben.“
Oben drangeblieben sind auch der FC Liefering, SV Licht-Loidl Lafnitz und der FC Blau-Weiß Linz. Während die Salzburger nicht mehr aus dem ersten Tabellendrittel wegzudenken sind, beißen sich die Oststeirer allmählich dort fest. Mit dem sechsten Platz in der Winterpause haben sie ihre gute Vorsaison jedenfalls bestätigt Dasselbe gilt für die Linzer. Der Vorjahresmeister konnte sich zwar nicht ganz oben halten, der fünfte Platz macht dort aber niemanden unglücklich – immerhin waren die Abgänge im Sommer zahlreich und namhaft. Nicolas Wimmer, Turgay Gemicibasi und Philipp Pomer haben sich in der ADMIRAL Bundesliga etabliert, Toptorjäger Fabian Schubert kämpft in der Schweizer Super League um einen Stammplatz. Doch auch mit neuen Stützen leitet Neo-Trainer Gerald Scheiblehner eine schlagkräftige Mannschaft an, die jeden schlagen kann.
Profidebüt
Das musste auch der Tabellenführer einsehen, die Lustenauer kassierten ihre einzige Heimniederlage gegen die Blau-Weißen. Es war einer der wenigen Wermutstropfen für die Vorarlberger, für die seit dem Sommer fast alles funktionierte – angefangen bei der Trainerbestellung. Markus Mader kam im Juni aus Dornbirn und arbeitet seither das erste Mal in seiner Karriere als Profitrainer. Statt untertags Immobilien zu verkaufen und in der Mittagspause das nächste Training zu planen, kann er sich jetzt den ganzen Tag auf den Fußball konzentrieren. „Markus ist ein Riesengewinn für uns“, sagt Sportdirektor Alexander Schneider. „Er weiß, wie er mit den Spielern reden muss.“ Gerade aufgrund der vielen Neuzugänge eine entscheidende Qualität.
Entscheidend war für Schneider der gute Saisonstart. Gegen den GAK, Wacker Innsbruck und Liefering konnten sich die Vorarlberger in knappen Partien jeweils 2:1 durchsetzen. Das sei auch ein bisschen Glück gewesen, sagt der Sportdirektor, und habe von Anfang an für einen guten Flow gesorgt. Im Flow war auch Haris Tabakovic, mit 19 Toren bester Torschütze der Liga und für die Hälfte der Lustenauer Tore direkt verantwortlich. Mit Muhammed Cham steht auch einer der besten Vorbereiter im Kader der Austria, neun Tore hat er im Herbst aufgelegt – gemeinsam mit dem Lafnitzer Mario Kröpfl der höchste der Wert der Liga.
Und so hat die Mannschaft die ideale Ausgangsposition für das Frühjahr. Mit Lafnitz, Liefering und dem FAC in den ersten drei Runden nach Wiederbeginn lässt die Standortbestimmung nicht lange auf sich warten. Danach, sagt Sportdirektor Schneider, könne man mehr sagen. „Wir wollen den Verein langfristig entwickeln“, sagt er. „Aber wir werden uns gegen den Aufstieg nicht wehren.“