Das Duell der Traditionsklubs

16. September 2020 in 2. Liga Der Titelkampf der 2. Liga dürfte zum großen Kampf zwischen Wacker Innsbruck und Austria Klagenfurt werden. Während in Tirol dank neuer Geldgeber gewaltige Aufbruchstimmung herrscht, wollen die Kärntner den Aufstieg diesmal unbedingt schaffen.

Beim FC Wacker Innsbruck herrscht Aufbruchsstimmung. In den nächsten drei Jahren will der Klub aufsteigen und dann auch in der höchsten Liga eine gute Rolle spielen. Dabei stand man noch vor einem Jahr vor dem Nichts. Der Abstieg aus der Tipico Bundesliga war ein doppelter Tiefschlag, denn damit musste auch die zweite Mannschaft, die eigentlich den Klassenerhalt in der 2. Liga geschafft hatte, in die Regionalliga absteigen. „Wir sind in ein schwarzes Loch gefallen, mussten in einen Notfallmodus umschalten“, weiß Felix Kozubek. Zwar wurde der Verein endgültig entschuldet, die Mittel waren aber so gering, dass man sich kaum über Wasser halten konnte. Mit kreativen Aktionen wie dem „Spiel gegen die Zeit“, bei dem Anhänger fiktive Tickets für Matches erwerben können, um den Klub zu unterstützen, rettete sich der 10-fache Österreichische Meister in den Herbst. Das Budget wurde massiv von sieben auf drei Millionen Euro heruntergefahren. Bei den Ausgaben für Mitarbeiter wurde gespart, wo es ging.

„Wir standen vor einer Weggabelung. Entweder zum Amateurverein werden oder den Weg in die Zukunft gehen, mit einem neuen starken Partner. Daran haben wir sehr intensiv gearbeitet“, erzählt Kozubek, der nun ein Jahr später selbst im Vorstand ist und mit einem völlig neu und stark aufgestellten Verein neben Austria Klagenfurt den Aufstieg anpeilt.

Die Marke Wacker Innsbruck liegt jetzt beim Verein und die Klubstatuten wurden so geändert, dass ein Investor einsteigen konnte. „Von 15 Investorengruppen kamen drei in die engere Auswahl. Eine bekam den Zuschlag.“ Eine Hamburger Kaufmannfamilie, die nicht genannt werden will, aber weltweit Investments tätigt und langfristig über 10 Jahre beim Klub einsteigt. „Es ist das erste Mal seit dem Konkurs des FC Tirol, dass hier wieder so viel möglich ist“, freut sich Kozubek. Der schlafende Riese scheint endlich geweckt. „Wir haben ja auch einiges zu bieten. Know-how in vielen Bereichen mit guten Ideen, eine spannende Liga, eine tolle Stadt mit einem großen Einzugsgebiet und Italien und Deutschland gleich in der Nähe.“

Und nicht zu vergessen: eine starke junge Mannschaft als Grundstock. Denn aus der Not, in der schweren letzten Saison auf junge Eigenbauspieler bauen zu müssen, wurde eine Tugend. Von vielen anfangs belächelt, landete die blutjunge Elf am Ende sensationell auf Platz 6. Die dient jetzt als Grundstock für die heuer neuformierte Truppe mit bärenstarken Verstärkungen. Allen voran Ronivaldo. Er war die letzten zwei Jahre der beste Spieler der 2. Liga, Torschützenkönig und somit DER Goalgetter schlechthin mit unglaublichen 50 Toren in den letzten 58 Ligaspielen. Der Brasilianer könnte ein ganz wichtiges Puzzleteil bei Wacker Innsbruck sein, denn an Chancen mangelte es letzte Saison weniger als an der Chancenverwertung. Ebenfalls aus Lustenau kommt Innenverteidiger Darijo Grujcic und vom LASK auch für die Abwehr Markus Wostry. Dazu wurden Tormann Marco Knaller, der starke Offensivmann Fabio Viteritti und Flügelspieler Florian Jamnig geholt. Letzterer ist eine besonders spannende Personalie (siehe Story S. 39), denn Florians Vater Joachim löste Gerhard Stocker als Wacker-­Präsident ab. Und auch beim Trainerteam blieb kein Stein auf dem anderen. 1860 München-Urgestein Daniel Bierofka wurde statt Thomas Grumser auf dem Chefcoach-Sessel installiert, dazu Szabolcs Safar als Tormanntrainer.

Und das ist noch längst nicht alles, was sich am Tivoli tut. Wacker bekommt voraussichtlich bis 2023 ein neues Trainingszentrum. Entweder am Mieminger Plateau oder (so Plan B) in Innsbruck. Dazu wurde mit dem E-Sports-Zweig eine moderne, neue Sparte mit sehr ambitionierten Zielen ins Leben gerufen. Mit sechsstelligem Budget und vorerst einem FIFA- und League of Legends-Team, will man national ordentlich für Aufsehen sorgen. Joachim Jamnig ist übrigens der erste hauptamtliche Präsident in der langen und stolzen Vereinsgeschichte. „Für mich ist das ein Traum, denn ich hatte von klein auf immer einen Bezug zum Klub.“ Seit dem FC-Tirol-Fiasko bringen viele dem Innsbrucker Fußball freilich eine mehr als gesunde Skepsis entgegen. Doch diese scheint sich nun tatsächlich mehr und mehr zu verflüchtigen. „Das Geld ist da und der Verein schuldenfrei. Da braucht man gar nicht lange herumreden: Das Ziel von Wacker Innsbruck muss mit dieser Mannschaft der Aufstieg sein“, weiß Wolfgang Müller, Wacker-Insider der Tiroler Tageszeitung.

Szenenwechsel in den Süden Österreichs. Die Narben in der Kärntner Landeshauptstadt sind nach dem Aufstiegsdrama im Fernduell mit Ried noch nicht so ganz verheilt. „Die Enttäuschung war nach dem Abpfiff der letzten Runde natürlich riesig und es hat auch in den Tagen danach noch wehgetan. Es ist wahnsinnig bitter, aufgrund der Tordifferenz nicht aufgestiegen zu sein“, trauert Austria-Sportdirektor Matthias Imhof im Gespräch mit dem 2. Liga-Journal dem verpassten Aufstieg in die Tipico Bundesliga nach. Nichtsdestotrotz ist man mittlerweile bemüht, den Fokus auf die neue Saison zu legen, in der die Kärntner beweisen wollen, dass die vorherige keine Eintagsfliege war. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Trauer mittlerweile dem Trotz gewichen ist. Wir werden wieder angreifen und werden einen neuen Anlauf unternehmen. Unser Ziel ist der Aufstieg in die Bundesliga, es gibt keinen Grund, sich zu verstecken“, richtet Imhof eine Kampfansage Richtung Konkurrenz. Und fügt hinzu: „Wenn wir das Potenzial ausschöpfen, dann wird es für jede Mannschaft schwer, uns zu schlagen.“ In dieselbe Kerbe schlägt Cheftrainer Robert Micheu: „Wir kommen stärker zurück. Ich wäre der falsche Trainer, wenn ich sagen würde, wir wollen unter die ersten Fünf oder wir wollen Zweiter werden.“

Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, konnte fast der gesamte Kader aus der starken Vorsaison gehalten werden. Wie zum Beispiel der 26-jährige Mittelfeld-Mann Okan Aydin, der mit zwölf Treffern und zwölf Vorlagen bester Scorer der Waidmannsdorfer wurde. Oder der 25-jährige Mittelstürmer Oliver Markoutz (siehe Story S. 31), der in 30 Spielen 17 Tore beisteuern konnte. Mit Markus Pink, der von der Admira verpflichtet wurde, bekommt Markoutz nun einen neuen Partner in der Offensive dazu. „Ich bin happy, dass es mit der Rückkehr nach Hause geklappt hat“, so Pink, der vor zehn Jahren sein bisher letztes Spiel für die Violetten absolvierte. Ebenfalls den Weg zurück zur alten Wirkungsstätte hat Mittelfeld-Mann Christopher Cvetko (OÖ Juniors) gefunden. Die Abwehr konnte mit der Verpflichtung von Thorsten Mahrer (Mattersburg) weiter verstärkt werden. Ebenfalls neu im Kader sind Torhüter Phillip Menzel (21) vom VfL Wolfsburg und Kwabe Schulz (21), der vom deutschen Viertligisten FC Viktoria 1889 Berlin kommt. Schulz, dessen Bruder Kofi beim SKN St. Pölten kickt, wurde für die linke Außenbahn verpflichtet, ist aber auch im Abwehrzentrum einsetzbar. „Für einen Trainer ist es natürlich von Vorteil, wenn er weitestgehend mit dem bestehenden Spielermaterial weiterarbeiten kann und im taktischen Bereich nicht viel herumexperimentieren muss. Das könnte am Ende auch ein Vorteil für uns gegenüber Innsbruck sein, wo doch manches im Umbruch ist“, sagt Micheu. Wo er bei seiner Mannschaft noch Verbesserungspotenzial sieht? „Eindeutig in der Chancenauswertung. Wir haben in der Vorsaison aus der Vielzahl an Standards einfach viel zu wenige Tore gemacht.“

Neue Impulse von außen sollen ab sofort auch von Sandro Zakany kommen, der seine Schuhe als Profi an den Nagel gehängt hat, und nun neu als Assistent im Trainerteam ist. Der 32-Jährige kam in seiner Karriere auf 43 Erst- sowie 242 Zweitliga-Spiele mit 25 Treffern und 34 Tor-Vorlagen. „Er war viele Jahre Kapitän und unumstrittene Führungsfigur. Gerade unsere jungen Spieler werden von ihm und seiner Erfahrung profitieren“, sagt Imhof.

Auch finanziell scheint der Klub wieder auf ruhigere Fahrwasser hinzusteuern. Seit Anfang 2019 pumpt die deutsche Gesellschaft „Home United“ mit Sitz in Hamburg als Teil einer Investorengruppe Geld in den Klub. Die seinerzeitigen Verbindlichkeiten des Vereins wurden von der Gruppe übernommen. Angst, die Investoren könnte nach dem verpassten Aufstieg die Lust verlieren, brauchen die Anhänger laut Imhof keine zu haben. „Der Aufstieg war nicht eingeplant, daher wirkt sich das auch budgetär überhaupt nicht negativ aus. Klar, wir hätten es gern mitgenommen, doch das wäre vergleichbar mit einem Sechser im Lotto gewesen – und den rechnet man ja auch nicht mit ein.“

Die Zusammen­arbeit mit den Gesellschaftern sei laut dem Sportdirektor von großem Vertrauen geprägt. Positive Signale vernehme er auch seitens der Stadtpolitik. „Die Bürgermeisterin sagte kürzlich, die Austria sei in Klagenfurt angekommen. Das zu hören, ist toll. Denn wir sind im vergangenen Jahr angetreten, um auch verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Wir merken, dass zugeschlagene Türen wieder offenstehen.“

Von Christoph König & Franz Hollauf

Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.

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