Floridsdorfs berühmte Söhne

14. April 2020 in 2. Liga Peter Pacult lernte in Floridsdorfs Käfigen das Kicken, beim FAC begann er seine Karriere. Seine Geschichte ist auch die eines Fußballvereins und eines ganzen Stadtteils im Wandel.

Die verschlossene Tür macht Peter Pacult fertig. Der Käfig, in dem der Floridsdorfer als Kind das Kicken lernte, ist heute abgeschlossen. Denn zwischen November und März darf dort nicht mehr gespielt werden. „Das gibt es ja nicht“, sagt Pacult und schüttelt den Kopf. „Früher haben wir das ganze Jahr da gespielt.“ Doch die Fassungslosigkeit hält nicht lange an. Denn wenn Pacult durch Jedlesee, jenen Teil von Floridsdorf, in dem er aufgewachsen ist, geht, leuchten seine Augen. Der Grantler, den man aus TV-Interviews kennt, scheint dann ganz weit weg.

Der Erfolg zieht weg

Pacult ist Floridsdorfer durch und durch. Er ist hier, weit weg vom Stephansplatz und der Ringstraße, durch die Donau getrennt vom Rest der Stadt, aufgewachsen. Und er hat hier Fußballspielen gelernt, beim Floridsdorfer AC begann er seine Profi-

karriere. Sogar als er als Trainer in Hütteldorf mit dem SK Rapid Meister wurde, zog er nicht weg – und blieb auf der anderen Seite der Donau. „Warum hätte ich wegziehen sollen?“, sagt Pacult. „Hier bin ich verwurzelt, hier kenn‘ ich mich aus.“ In den Käfigen Jedlesees wurde Pacult zu dem Spieler, der später Torschützenkönig der Bundesliga und zweifacher Meister wurde. Aber der Stadtteil ist nicht nur für Pacults Werdegang wichtig. Er zeigt auch, wie sich der Fußball in Floridsdorf verändert hat und warum sein Stellenwert auch ohne die ganz großen Erfolge noch immer hoch ist.

Als Pacult am 24. Oktober 1959 auf die Welt kam, machte sich die Wiener Admira gerade daran, erstmals in der Nachkriegsgeschichte aus der ersten Liga abzusteigen. Gerade drei Siege standen am Ende der Saison 1959/60 zu Buche. Zwei Jahre später stieg die Admira wieder auf und gewann 1966 einen letzten Meistertitel. Danach zog der erfolgreichste Verein Floridsdorfs, der zwischen 1927 und 1937 fünf österreichische Meistertitel holte, nach Mödling. 1971 entstand dort in Fusion mit Wacker Wien der neue Verein FC Admira/Wacker.

Eingezwickt an der Donau

„An die Erfolge der Admira kann ich mich nicht mehr erinnern“, sagt Pacult. „Mein erster Bezugspunkt war immer der FAC.“ Denn als die Admira 1966 Floridsdorf verlässt, wird der FAC Nachmieter auf dem Platz in der Hopfengasse. Auch der FAC war einmal österreichischer Meister, 1918 war das. Nach dem Krieg spielte auch er in der höchsten Liga, der Staatsliga. 1954 musste der Verein aber dann den Gang in die zweite Liga hinnehmen.

Eine Viertelstunde dauert es von der Hopfengasse zu Fuß in die Anton-Störck-Gasse 55, wo Pacult aufwuchs. Es ist ein Spaziergang quer durch Jedlesee, das eingezwickt zwischen Donau im Westen und Prager Straße im Osten klar definierte Grenzen hat. Öfter noch als am FAC-Platz spielte Pacult dort im Käfig. Am öftesten in dem, der im Hof des gegenüberliegenden Gemeindebaus liegt und dessen Öffnungszeiten ihn heute so stören. Er hätte damals anders ausgesehen, der Zaun rundherum wäre nicht so hoch und der Boden kein Beton sondern Rasen gewesen. „Technik, Durchsetzungsfähigkeit, Antizipieren. Das habe ich alles im Käfig gelernt“, sagt Pacult, an die verschlossene Tür gelehnt. „Wir waren schon echte Käfigkicker.“

Entlang der Prager Straße

Käfigkicker gab es damals viele. Einen knappen Kilometer die Prager Straße hinauf lernte Andreas Ogris in Strebersdorf, am äußersten Stadtrand, das Fußballspielen. Er ist fünf Jahre jünger als Pacult, lernt ihn aber doch bald kennen. „Wenn du gut warst, hast du mit den Älteren spielen dürfen“, sagt Ogris. „Da hast du gelernt, dich durchzusetzen.“ Ogris tut sich aber nicht nur im Käfig hervor. Schon mit elf Jahren fällt er mit seinen Leistungen im Nachwuchs des FAC der Austria und Rapid auf. Nach einem Streit bei einem Probetraining bei Rapid, wechselt Ogris 1975 zu den Veilchen. „Dort habe ich das erste Mal Schuhe vom Verein bekommen“, sagt er. „Das war ein totaler Luxus. Davor habe ich immer die alten von meinem Bruder getragen.“

In die weite Welt

Und noch was entscheidet sich für Ogris mit dem Wechsel: Die Frage ob Rapid oder Austria. Für Pacult stellt sie sich erst viel später: „Das war alles so weit weg“, sagt er. „Für mich war alles auf der anderen Seite der Donau eigentlich Ausland.“ Und während Ogris mehrmals die Woche zu den Trainings beim Praterstadion fährt und mit 19 bei der Austria debütiert, kommt Pacults Karriere langsamer in Fahrt. Anders als Ogris durchlief er alle Nachwuchsmannschaften beim FAC. In die Hauptschule ging er währenddessen in der Deublergasse, fünf Minuten von seiner Haustür entfernt. Sogar fünf Jahre und nicht nur vier, weil es ihm dort so gut gefallen hat, wie er augenzwinkernd meint. Die Schule gibt es noch immer, auch Pacults liebster Pferdefleischhauer gleich ums Eck ist beinahe unverändert geblieben – aber eben nur beinahe. „Wir haben uns früher in der großen Pause immer da Leberkässemmerln geholt“, sagt Pacult. „Fünf Schilling hat damals eins gekostet, heute zahlst du über zwei Euro. Das ist ja ein Wahnsinn.“

Nach der Schule beginnt Pacult eine Ausbildung zum Bürokaufmann in der Donaustadt. Doch nach abgeschlossener Lehre und Präsenzdienst beim Bundesheer orientiert er sich beruflich um – und wird Postler. Dann aber, mit 21, gelingt ihm der Durchbruch. Nach einer starken Halbsaison mit dem FAC in der Regionalliga Ost, wechselt Pacult im Winter 1980/81 in die Bundesliga – zum Sportklub. „Das Problem vom Peter war, dass er körperlich zirka so war“, sagt Ogris und zeigt seinen kleinen Finger. „Aber dass er kicken konnte, war immer klar.“ Das merkt man auch in Dornbach schnell: Schon in seiner ersten Halbsaison trifft Pacult sechs Mal, in der Spielzeit darauf macht er 16 Tore. 1982 debütiert er im Nationalteam. 1984 folgt der Wechsel zu Rapid, zwei Jahre später der zum FC Tirol. Dort wird Pacult 1989 das erste Mal Meister, und mit 26 Saisontoren auch Torschützenkönig. Ogris erzielt bei der WM im Sommer 1990 ein Tor und wechselt um 40 Millionen Schilling zu Espanyol Barcelona, damals ein Rekordtransfer. In 29 Spielen in der Primera Division trifft der Flügelstürmer vier Mal.

Floridsdorfer Konsolidierung

Doch während Floridsdorfs Söhne groß aufspielen, kämpfen die Vereine des 21. Bezirks mit der Bedeutungslosigkeit. In der Saison 1988/89 steigt der FAC, nur wenige Tage nachdem Pacult mit Tirol den Meistertitel fixierte, erstmals aus der Regionalliga Ost ab. In den höchsten drei Ligen spielt damit keine Mannschaft aus Floridsdorf mehr. Erst als dem FAC 1991 der Wiederaufstieg gelingt, wird sich das wieder ändern. In der Folge steigen die Floridsdorfer noch zwei weitere Mal aus der Ostliga ab, jedes Mal aber schaffen sie den Sprung zurück.

Der FAC konsolidiert sich im Unterhaus. Während sich im Laufe der 1990er Jahre Wiener Vereine wie der Sportklub und die Vienna im Angesicht des finanziellen Kollaps nach unten orientieren müssen, gibt der FAC seine alten Ambitionen nie ganz auf. Das Stadion wird nach und nach ausgebaut. 1994 saniert der FAC seine Haupttribüne, 2002 richtet er einen VIP-Klub ein. Momentan überlegt der Verein einen Stadionumbau, der aus dem FAC-Platz ein Stadion im Innenhof eines neuen Wohnhauses machen soll. Ein bisschen so, wie jener Käfig, in dem Peter Pacult zu dem Spieler wurde, der er war – nur größer, mit Platz für 5.000 Zuseher und einem Trainingsplatz.

Heimkehr

Heute ist der FAC nicht mehr aus der zweiten Liga wegzudenken, seit 2014 spielt der Verein ununterbrochen dort. Er hat sich als Nummer Drei in Wien etabliert und ist zur unangefochtenen Nummer Eins in Floridsdorf geworden. Und Peter Pacult ist zurück. Nachdem ihn seine Trainerkarriere quer durch Europa bis nach Montenegro brachte, kehrte er im Dezember heim und wurde Aufsichtsrat bei seinem Heimatverein. Zwar ist er mittlerweile umgezogen, er wohnt jetzt etwas außerhalb der Stadt, doch in Jedlesee kennt er die Leute noch immer gut. Immer wieder bleibt er mit dem Auto stehen, um aus dem Fenster mit alten Bekannten zu reden oder sich zu erinnern, wo ehemalige Mannschaftskollegen gewohnt haben. „So etwas vergisst man nicht“, sagt er. „Es gibt kaum ein Hauseck, mit dem ich nicht irgendwelche Erinnerungen verbinde.“

Von Moritz Ablinger

Dieser Artikel ist im offiziellen Journal der 2. Liga erschienen – erhältlich bei allen Klubs der 2. Liga.

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